Leben, Sterben, Leben

Ewige Verdammnis oder endlose Glückseligkeit? Gespräche mit Personen, die hoffnungsvoll mit dem Tod umgehen.

Für die meisten ist Tod und Sterben ein mit Angst besetztes Thema. Kein Wunder – keiner weiß, wie die Ewigkeit aussieht. Eins ist klar: Der Tod wird uns allen blühen. Aber warum eine Thematik ignorieren, die uns doch alle betrifft?

Der Tod begegnet uns überall. In der Gesellschaft gilt er jedoch fast schon als „Tabu-Thema“, denn natürlich ist es angenehmer, über schöne Dinge im Leben zu sprechen. Doch nicht jeder begegnet dem Tod mit Furcht. Es gibt Menschen, die diesem Ereignis mit Hoffnung entgegenschauen.

Jana ist seit fünf Jahren ein Mitglied der International Christian Fellowship (ICF) München. Gläubig war sie schon immer, doch wie bei so vielen, galt ihr Interesse während ihrer Jugendzeit anderen Themen als der Kirche und so dauerte es einige Jahre bis sie wieder zu ihrem Glauben zurückfand. Die Ewigkeit hat vor allem in den verschiedenen Religionen eine große Bedeutung.

Der Glaube im Christentum

Christen und Christinnen hoffen auf ein ewiges Leben bei Gott nach dem Tod. Diesen Glauben führen sie auf die Auferstehung Jesu zurück, der von Gott geopfert wurde, um die Sünden aller Menschen auf sich zu nehmen.

Alles für Gott

„Die Entscheidung, Gott in allem zu sehen, gibt mir viel, weil ich dadurch Hoffnung schöpfe“, erklärt Jana ihre Ansichten. Seit sie zu ihrem Glauben zurückgefunden hat, haben sich auch einige Einstellungen im Leben der 26-Jährigen verändert. So lehnt sie mittlerweile Sex vor der Ehe ab, verzichtet auf Alkohol und Partys. „Ich will das für Gott tun“, begründet sie ihre Entscheidung. In ihren Augen machen die von Gott vorgeschriebenen „Regeln“ Sinn, da sie gut für einen selbst sind. Deren Einhaltung wird von einer ganz besonderen Motivation im Leben der 26-Jährigen angetrieben: „Ich möchte am Ende von meinem Leben die Aussage «Gut gemacht, Jana» von Gott hören.“ Sie fügt hinzu: „Ich will, dass Gott eine Freude an mir hat.“

„Eigentlich ist die Zeit auf der Erde nur das Vortrinken für die eigentliche Party“

Weil sie die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod hat, möchte Jana Gott mit ihrem Verhalten ehren und gut zu sich selbst sein. Wie ein Verzicht fühle es sich jedoch nicht an. „Ich habe keine Angst, Sachen zu verpassen, weil ich bessere Dinge durch meinen Glauben und durch Gott jetzt schon hier auf der Erde habe und dann kommt noch die Aussicht darauf, dass eine wunderschöne Ewigkeit auf mich wartet“, erklärt Jana und fügt lachend hinzu: „Eigentlich ist die Zeit auf der Erde nur das Vortrinken für die eigentliche Party.“

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Ein friedvolles Ereignis

Dass der Glaube eine Stütze im Leben und eine Stütze beim Sterben sein kann, glaubt auch Juscha Stuber-Kranixfeld. Sie arbeitet seit 15 Jahren ehrenamtlich beim Hospizverein Passau e.V. und beschäftigt sich tagtäglich mit der Thematik Tod und Sterben. Menschen beim Sterben zu begleiten, empfindet sie als eine Bereicherung. „Es lässt einen das eigene Leben mehr wertschätzen, man lebt bewusster. Die Schicksale eines anderen gehen nicht spurlos an einem vorbei. Man muss für sich selbst reflektieren, dass es einem selbst passieren kann oder einem geliebten Menschen“, erzählt sie. Durch Dasein, Zuhören und den Menschen so zu nehmen, wie er gerade ist, versuchen die Ehrenamtlichen den Sterbenden auf ihrem Weg noch ein bisschen Lebensqualität zu geben. „Ich erlebe es als zum Großteil sehr friedvolles Ereignis. Wenn man dabei sein darf, wenn ein Mensch stirbt, dann ist das für einen selbst ein Geschenk, es ist ein sehr intimer Moment. Sterben ist ein Übertritt in ein neues Leben“, beschreibt Stuber-Kranixfeld ihre Erfahrungen. Sie glaubt daran, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Dass in irgendeiner Form ein weiteres Existieren möglich ist, empfindet sie als tröstlich.

Nach dem Tod eines Menschen sei noch eine Energie „deutlich spürbar“, weshalb sie das Ritual pflegen, das Fenster zu öffnen und die Seele ziehen zu lassen. Im Gegensatz zu den meisten Menschen wird Stuber-Kranixfeld täglich mit dem Tod konfrontiert. Sie würde sich wünschen, dass man auch in unserer Gesellschaft mehr darüber spricht: „Wenn man sich anschaut, wie unsere Beziehungen so sind, ist vieles so oberflächlich. Wir kommen ganz anders in Kontakt und in Beziehung zueinander, wenn wir uns auch mal mit so einem Thema befassen. Dieses Thema macht uns menschlich. Ich glaube, wir würden unser Leben und das Leben des anderen wieder mehr schätzen, wenn wir uns auch darüber austauschen.“ Angst vor dem Tod habe sie keine, weil sie die Hoffnung hat, dass es in irgendeiner Form weitergeht. „Aber vor dem Sterben, falls es mit einer langen Leidenszeit verbunden ist, da habe ich Respekt vor“, ergänzt Stuber-Kranixfeld.

Himmel und Hölle

Doch wie sieht dieser „Übertritt in ein neues Leben“ aus? Jana stellt sich die Ewigkeit wie folgt vor: „Ich erwarte eine Abwesenheit von allem Negativen. Ich weiß, dass es gut wird, dass es großartig wird, dass es besser wird als alles, was wir uns hier auf der Erde vorstellen können.“ Die 26-Jährige glaubt, dass das Leben im Himmel kein Leben sein wird, wie wir es kennen. „Ich glaube nicht, dass es eins zu eins wie hier auf der Erde sein wird und wir alle glücklich auf einer Wolke rumhüpfen“, lacht sie. Stattdessen glaubt sie an eine andere Art von Existenz oder Bewusstsein. Jedoch würde Jana sich wünschen, alle Menschen, die sie liebt und die sie verloren hat, auf welche Art auch immer wiederzutreffen. Auch erwartet sie ein volles Verständnis für alle Dinge, die man nicht versteht und die Antwort auf die Frage: „Wer ist Gott wirklich?“

Aber nicht nur die Annahme auf ein Leben im Himmel beschäftigt Jana, auch die Vorstellung der Hölle ist ein Thema für sie. „Ich glaube, für mich ist die Hölle die Abwesenheit Gottes. Ein bewusstes ohne Gott Sein und das auf Ewigkeit“, erzählt die 26-Jährige. Demnach erleben für Jana die Menschen, die nicht an Gott glauben die „Hölle auf Erden“. Denn sie leben in der Abwesenheit Gottes. Auch kommen ihrer Meinung nach die Menschen, die bei ihrem Tod nicht gläubig sind, nicht in den Himmel, denn sie entscheiden sich aktiv gegen Gott.

„Für immer“ – Zwei simple Worte, die viel in einem auslösen. Klar, zum einen natürlich eine große Freude. Man denkt an die Versprechen, die man sich früher gemacht hat: „Beste Freunde für immer“, ein schöner Gedanke. So vieles auf dieser Welt kann „für immer“ sein. Doch was ist, wenn man stirbt?  Das ist ja dann auch für immer … Bei diesem Gedanken zieht sich in mir alles zusammen. Ich bekomme Panik, ein unruhiges Gefühl breitet sich in mir aus. Was ist dieses für immer? Wie sieht es aus? Wann endet es? „Gar nicht“, denke ich mir.

Es ist Sonntagnachmittag und vor den Räumlichkeiten der International Christian Fellowship (ICF) München sind bereits viele Leute versammelt, die gemütlich am Plaudern sind, während sie auf den Beginn des Gottesdienstes warten. Unter ihnen eine etwas kleinere, strahlende junge Frau, die leidenschaftlich am Diskutieren ist. Jana ist seit fünf Jahren ein Mitglied der ICF München. Gläubig war sie schon immer, doch wie bei so vielen, galt ihr Interesse während ihrer Jugendzeit anderen Themen als der Kirche. Sie gewann etwas Abstand zu der Thematik und kam mit 16 Jahren dann wieder in Kontakt mit ihrem Glauben, als sie ein Auslandsjahr in Amerika absolvierte. Dort besuchte sie mit ihrer strenggläubigen Gastfamilie eine freie Kirchengemeinde und war begeistert von dem Konzept. Doch zurück in Deutschland geriet dies schnell wieder in Vergessenheit. Als sie dann für ein Praktikum nach Schweden ging, erlebte sie das, was sie eine „Erleuchtung“ nennt. Aus ihrem Zimmer heraus beobachtete sie einen Gottesdienst, bei welchem sie plötzlich die Anwesenheit Gottes spüren konnte, wie sie beschreibt. Danach begann Jana sich nach und nach wieder mehr mit ihrem Glauben zu beschäftigen. „Gott hat sich mir in Amerika vorgestellt und in Schweden abgeholt“, erklärt sie mir ihre Entwicklung.

Ich möchte Jana zu einem der Gottesdienste ihrer Freikirche begleiten und bin ganz schön aufgeregt, es ist lange her, dass ich in der Kirche war. Zu Hause sind wir eher „folkloristisch“ in die Kirche gegangen. Zu Ostern und Weihnachten – das Pflichtprogramm. Aber selbst das hat sich in den letzten Jahren erübrigt. Ansonsten habe ich nicht viel am Hut mit Kirche und Glaube und kann es mir nur schwer vorstellen, dass jemand in meinem Alter freiwillig so viel Zeit damit verbringt. Nachdem Jana mich etwas rumgeführt hat, begeben wir uns an einen ruhigen Ort und fangen im wahrsten Sinne des Wortes an, über Gott und die Welt zu reden.

Anhand eines Bibelverses versucht Jana mir ihre Bedeutung von Glauben zu erläutern:

„Der Glaube ist der tragende Grund für das, was man hofft: Im Vertrauen zeigt sich jetzt schon, was man noch nicht sieht.“  (Hebräer 11,1)

Vertrauen als Schlüssel zum ewigen Leben? „Vertrauen, dass es Gott gibt, dass er gut ist, dass er mich in meinem Leben begleitet, dass er einen Plan für mich hat und dass er immer für mich da ist, auch wenn ich es nicht sehen kann“, interpretiert sie den Vers mit ihren eigenen Worten. Wir plaudern weiter und sie erzählt mir, von Momenten, in denen sie wusste, dass gewisse Ereignisse kein Zufall waren, sondern Gott seine Finger mit im Spiel hatte. Doch Jana betrachtet die Dinge auch oftmals kritisch, hinterfragt, ob es wirklich Gott war oder einfach nur zufällige Fügungen. „Die Entscheidung Gott in allem zu sehen, gibt mir viel, weil ich dadurch Hoffnung schöpfe“, zieht die 26-Jährige ihre Schlüsse.

Wir sind so tief im Gespräch versunken, dass wir glatt die Zeit vergessen und fast schon zu spät in den Gottesdienst hineinstolpern. Laute Musik kommt mir von der Bühne entgegen, wo eine Band bereits enthusiastisch spielt. Um die Bühne herum stehen voll besetzte Stuhlreihen. Sonntagabend, 19 Uhr und die Kirche ist voll – für mich komplett abwegig, wenn ich daran denke, dass ich jetzt normalerweise vor dem Fernseher auf der Couch liegen würde. Der Liedtext wird über einen Beamer an die Leinwand projiziert, sodass jeder mitsingen kann – und das tun auch alle. Die meisten stehen dabei und tanzen wild drauf los, ein Anblick, der für mich völlig ungewohnt ist. Auch Jana lässt sich von der Musik leiten, streckt ihre Arme hoch zum Himmel und begleitet die Band lauthals aus dem Publikum. Ich versuche mich darauf einzulassen und mitzumachen, doch merke schnell, dass ich mir dabei komisch vorkomme. Ich weiß, dass ich nur etwas Vorspielen würde, was ich gar nicht fühle – wieso sollte ich auch plötzlich? Ich setzte mich hin und beobachte die tanzenden Leute, bevor es wieder leise wird und die Predigt beginnt.

Wie üblich für mich in der Kirche, schweifen meine Gedanken ab. Ich schaue mich um, betrachte die jungen Menschen, die gebannt nach vorne schauen. Einige von ihnen haben Notizbücher dabei, um während der Predigt mitzuschreiben. Immer wieder blicke ich in nickende Gesichter, die den Worten der Vortagenden zustimmen.

Die meisten Gemeindemitglieder versuchen die Botschaften aus den Predigten und aus der Bibel auf ihr Leben anzuwenden. Jana verfolgt dabei eine ganz besonderen Motivation: „Ich möchte am Ende von meinem Leben die Aussage «Gut gemacht, Jana» von Gott hören.“ Weil sie die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod hat, möchte Jana Gott mit ihrem Verhalten ehren und gut zu sich selbst sein. Die Ewigkeit stellt sich Jana wie folgt vor: „Ich erwarte eine Abwesenheit von allem Negativen. Ich weiß, dass es gut wird, dass es großartig wird, dass es besser wird als alles, was wir uns hier auf der Erde vorstellen können.“

Aber nicht nur die Annahme auf ein Leben im Himmel beschäftigt Jana, auch die Vorstellung der Hölle ist ein Thema für sie. „Komisch“, denke ich mir, denn ich habe mich noch nie wirklich mit diesem Gedanken beschäftigt. Die Redewendung „dafür komme ich in die Hölle“ habe ich leider schon etwas zu häufig benutzt, aber mir die Hölle vorzustellen? Dazu kam es noch nie. „Ich glaube die Hölle für mich ist die Abwesenheit Gottes“, erzählt die 26-Jährige. Demnach erleben für Jana die Menschen, die nicht an Gott glauben die „Hölle auf Erden“. Auch kommen ihrer Meinung nach die Menschen, die bei ihrem Tod nicht an Gott glauben, nicht in den Himmel, denn sie entscheiden sich aktiv gegen Gott.

Während unseres Gesprächs bin ich immer wieder erstaunt darüber, mit welcher Überzeugung und Leichtigkeit Jana über dieses Thema spricht.

Nach dem Gottesdienst haben sich alle Gemeindemitglieder draußen versammelt, um noch gemeinsam den Abend ausklingen zu lassen. Einige unterhalten sich, andere spielen Volleyball und manche lauschen einfach nur gemeinsam der Musik. Egal mit wem ich mich unterhalte, ich erhalte ohne Zögern immer dieselbe Antwort: „Nein ich habe keine Angst vor dem Tod.“ Ihr Vertrauen in Gott sei so groß, dass es nichts gibt, wovor sie sich fürchten müssen. Aus diesem Vertrauen ziehen sie ihre Hoffnung auf ein erfülltes Leben nach dem Tod. Ich frage Jana was wäre, wenn sie am Ende feststellt, dass es keinen Gott und keinen Himmel gibt, die auf sie warten. Sie zuckt die Schultern und entgegnet: „Was habe ich zu verlieren?“ Selbst wenn am Ende nichts sei, hatte sie wenigstens ein hoffnungsvolles und schönes Leben in dem Glauben an Gott. Um einen solchen Gedanken zu haben, sei ihr Glaube jedoch zu stark. „Dazu weiß ich zu sehr, dass es Gott gibt und ich in den Himmel komme“, entgegnet Jana. Die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod ist für sie nur durch Gott möglich. „Ohne Gott gäbe es kein Leben nach dem Tod“, sagt Jana mit einem überzeugten Lächeln im Gesicht und fügt hinzu: „Es ist eigentlich keine Hoffnung, sondern eher schon ein Verlassen.“

Ich bin erstaunt darüber, wie sehr der Glaube ihre Denkweise beeinflusst und ihnen scheinbar eine felsenfeste Sicherheit gibt. Ob ich es jemals schaffen werde, genauso gelassen mit der Thematik umzugehen weiß ich nicht. Was ich jetzt weiß ist, dass darüber reden einem ein Stück weit mehr Hoffnung gibt.

Das unbeschreibliche Gefühl

Während Jana sich nur vorstellen kann, wie das Leben als eine andere Art von Bewusstsein wohl sein mag, hat Ulrich Sticht es am eigenen Leib erfahren. Als Jugendlicher hatte der 48-Jährige eine

außerkörperliche Erfahrung (AKE), die er lange Zeit nicht einordnen konnte. Heute weiß er, dass eine solche außerkörperliche Erfahrung ein Kernelement einer Nahtoderfahrung ist. „Ich habe mich als Bewusstseinspunkt ohne jegliche Körperlichkeit wahrgenommen“, beschreibt Sticht sein Erlebnis. „Von hier auf jetzt befand ich mich plötzlich an der Zimmerdecke und sah auf mich herunter“, so der 48-Jährige. Jedoch hatte er keinen Bezug mehr zu seinem Körper, sondern habe sich mit allen Lebewesen verbunden gefühlt. „Ich war eingebettet in bedingungsloser Liebe, aber nicht der irdischen Liebe, sondern einer Liebe, die ich mit Worten nicht beschreiben kann“, versucht Sticht sein inneres Empfinden auszudrücken. Dass sein Erlebnis kein Traum war, wurde ihm klar, als er wieder in seinen Körper zurückgekommen ist.

Ulrich Sticht ©Privat

Diese Rückkehr hat Sticht als „zutiefst traumatisches Erlebnis“ empfunden, denn sein Körper habe sich unglaublich eng und schwer angefühlt. Er konnte kaum Atmen, habe jeden Knochen gespürt und beschreibt es, wie als hätte er seinen Körper „komplett neu gefühlt“. Dieses Gefühl habe er danach nie wieder empfunden. „Das sagt mir, dass es kein Traum war, sondern wirklich eine Realität, die ich so erlebt habe“, sagt Sticht.

Die Kernelemente der Nahtoderfahrung

Erlebende wissen, dass sie gestorben sind und nehmen sich als körperlos oder extrem leicht wahr. Es entsteht ein verstärktes Empfinden des Ich-Bewusstseins.

Die meisten Erlebenden verspüren Wohlbefinden, Leichtigkeit und Frieden. Sie empfinden keinen Schmerz mehr.

Dabei verlässt die Seele den Körper und die Erlebenden beobachten sich selbst und das Drumherum mit einer inneren Distanz. Sie vernehmen ihre Denkfähigkeit als intensiver, schärfer und präziser, weshalb die meisten sich lebendiger fühlen als je zuvor. Dabei sind ihre Beobachtungen während des Erlebnisses sehr genau und präzise.

Erlebende beschreiben von einem Sog durch den Tunnel gezogen worden zu sein. Oft wird dieser Tunnel auch als Dunkelheit oder Leere empfunden, aber auch Übergänge wie Straßen, Brücken und Flüsse sind möglich. Ebenfalls wurde berichtet Lichtwesen oder verstorbenen Verwandte gesehen zu haben. Am Ende des Tunnels oder der Dunkelheit wird ein Licht wahrgenommen.

Das Licht wird als die reinste, bedingungslose Liebe empfunden und löst Gefühle der Harmonie und Geborgenheit aus. Die Erlebenden spüren dabei ihr volles Ich-Bewusstsein. Alle Menschen, die eine Lichterfahrung gemacht haben, verändern sich in ihrer Persönlichkeit.

Jedes Gefühl, jeder Schmerz und jeder Lebensabschnitt werden nochmal erlebt. Dabei wird man nicht nur mit seinem eigenen Empfinden konfrontiert, sondern empfindet auch die Auswirkungen des eigenen Handelns auf andere Personen.

Betroffene erleben eine Persönlichkeitsveränderung nach ihrer Nahtoderfahrung und wissen aus eigener Anschauung, dass der Tod nicht existiert. Nach ihrem Erlebnis sind sie nicht mehr der Mensch, der sie davor waren.

Für Menschen, die eine Nahtoderfahrung erlebt haben, ist es ein großes Problem, diese für sich selbst einzuordnen und auf Akzeptanz in der Gesellschaft zu stoßen. Denn oft wird kritisiert, dass es sich dabei nur um Halluzinationen oder Illusionen handle. Der Kardiologe Sam Parnia forscht seit über 15 Jahren an Nahtoderfahrungen und veröffentlichte im Februar 2022 die neuesten Erkenntnisse seiner Studie in den „Annals of the New York Academy of Sciences“. Dabei untersucht er mit Hilfe mehrerer Wissenschaftler:innen das Bewusstsein und Erfahrungen von Herzstillstand und Tod bei im Koma liegenden Personen. Parnia schreibt in seiner Studie, dass die Kernelemente einer Nahtoderfahrung (siehe Infobox) „unvereinbar mit Halluzinationen, Illusionen, Täuschungen oder konventionellen Träumen“ seien, da sie im Gegensatz zu den Nahtoderfahrungen „keinem spezifischen Narrativ folgen oder nicht mit den beschriebenen Narrativen übereinstimmen“. Als “Narrativ” beschreibt er die immer gleich auftretenden Muster einer Nahtoderfahrung, an welche sich die Personen mit einer “paradoxen Klarheit” erinnern und die im Unterschied zu Träumen einen roten Faden haben. Für einen absoluten wissenschaftlichen Beweis von Nahtoderfahrungen reicht diese Erkenntnis jedoch nicht. „Obwohl systematische Studien nicht in der Lage waren, die Realität oder die Bedeutung der Erfahrungen und Behauptungen der Patient:innen in Bezug auf den Tod absolut zu beweisen, war es auch nicht möglich, sie zu widerlegen“, schreibt Parnia.

„Das ändert alles“

Für Ulrich Sticht habe sich nach seiner außerkörperlichen Erfahrung sein ganzes Weltbild komplett auf den Kopf gestellt. „Das Wissen, dass ich nicht nur der Körper bin, sondern dass ich noch viel mehr bin, dass mein Bewusstsein noch viel weiter geht, das ändert alles“, beschreibt er. Das Gefühl der bedingungslosen Liebe habe er heute noch. Seit seiner AKE fühlt sich Sticht mit allen Menschen und Lebewesen verbunden, doch genau diese Verbundenheit kann ihm auch zur Last werden. Dem 48-Jährigen fällt es schwer zu sehen, wenn andere Menschen Streit haben oder Krieg führen, weil er eigentlich weiß, dass wir alle verbunden sind: „Das ist eigentlich unsere Natur. Wir sind miteinander verbunden nicht um uns zu bekriegen, sondern voneinander dank der Unterschiedlichkeiten zu lernen und dankbar zu sein, dass wir unterschiedlich sind.“

„Die Hoffnung stirbt nie, sie stirbt auch nicht zuletzt, sondern sie stirbt nie“

An ein Leben nach dem Tod hat Ulrich Sticht bereits vor seiner AKE geglaubt. Der 48-Jährige ist katholisch aufgewachsen und hielt an den christlichen Vorstellungen fest. Nach seinem Erlebnis hat er versucht, Antworten in der Religion zu finden: „Die religiösen Ansichten stimmten jedoch nicht, weil ich keinen strafenden Gott erlebt habe oder einen Teufel, der auf mich wartet und mich verdammt.“ Heute beschreibt er diese Vorstellung als „sehr menschlich“ gedacht und gehört keiner institutionellen Glaubenseinrichtung mehr an. Für ihn stellt der Glaube eine mögliche Hilfe dar, die einem die Angst vor dem Sterben und dem Danach nehmen kann. Nach so einer Erfahrung brauche man diese Hilfe jedoch nicht mehr.

Wie das Leben nach dem Tod aussieht, weiß er nicht. Doch seit seiner Erfahrung hat er ein tiefes Vertrauen darin, dass alles gut wird. „Am Ende des Lebens gibt es die Hoffnung, dass man transformiert wird oder dass man dahin zurückgeht, wo man herkommt und das ist für mich der Raum der bedingungslosen Liebe“, so Sticht. Angst vor dem Tod habe er keine mehr und eins ist für ihn klar: „Die Hoffnung stirbt nie, sie stirbt auch nicht zuletzt, sondern sie stirbt nie.“

Mehr zum Thema Nahtoderfahrungen und Ulrich Stichts Erlebnis hört ihr hier im Podcast:

Vertrauen in die Ewigkeit

Keine Angst vor dem Tod – dieses Empfinden teilen auch die Mitglieder von ICF München. Ihr Vertrauen in Gott sei so groß, dass es nichts gibt, wovor sie sich fürchten müssen. Aus ihrem Glauben ziehen sie Hoffnung auf ein erfülltes Leben nach dem Tod. Auf die Frage was wäre, wenn sie am Ende feststellen, dass es keinen Gott und keinen Himmel gibt, die auf sie warten, zuckt Jana nur die Schultern und entgegnet: „Was habe ich zu verlieren?“ Selbst wenn am Ende nichts sei, hatte sie wenigstens ein hoffnungsvolles und schönes Leben in dem Glauben an Gott. Um einen solchen Gedanken zu haben, sei ihr Glaube jedoch zu stark. „Dazu weiß ich zu sehr, dass es Gott gibt und ich in den Himmel komme“, entgegnet Jana. Die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod ist für sie nur durch Gott möglich. „Ohne Gott würde das für mich alles keinen Sinn machen. Ohne Gott gäbe es kein Leben nach dem Tod“, sagt Jana mit einem überzeugten Lächeln im Gesicht und fügt hinzu: „Es ist eigentlich keine Hoffnung, sondern eher schon ein Verlassen.“