In der Biobäckerei Wagner wird jede Nacht fleißig gebacken – und das für insgesamt sechs Filialen. Wir waren bei der Produktion in Tiefenbach in einer Nachtschicht dabei. Wie ist es für die Mitarbeiter:innen, nachts zu arbeiten und tagsüber zu schlafen? Sie haben uns erzählt, wie es so ist, „andersrum zu leben“. Dabei wird schnell klar, der Beruf ist eine Herzenssache, aber auch fordernd und nicht jeder ist für diese Arbeit geeignet.
Wie wirkt sich eine Nachtschicht auf den Körper aus?
Dr. Alfred Wiater ist Schlafmediziner aus Köln und Vorstandsreferent der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin. Wir standen mit ihm in schriftlichem Kontakt und er hat uns diverse Fragen zu der Nachtschicht beantwortet. Im Folgenden haben wir die spannendsten Fragen und Antworten zusammengefasst:
Dr. Alfred Wiater, Schlafmediziner
Schicht- und Nachtarbeit bringt einige gesundheitliche Folgen mit sich. Können Sie zusammenfassen, was die schwerwiegenden Folgen von der Nachtarbeit sind?
Chronische Übermüdung (fatigue), die mit einem erhöhten Unfallrisiko einhergehen kann und mit der Gefahr von Fehlern bei der Arbeit, aber auch Magen-Darm-Probleme, Herz-Kreislauf-Probleme und Kopfschmerzen werden häufig angegeben.
Gravierender sind die Folgen des chronischen Schlafmangels. Dabei geht es in körperlicher Hinsicht um Herz-Kreislauferkrankungen, Stoffwechselstörungen mit der Neigung zu Übergewicht und Diabetes mellitus und Schwächung des Immunsystems. Psychisch besteht ein erhöhtes Risiko für depressive Störungen und Angststörungen. Auch Krebserkrankungen wie Brust- und Prostatakrebs werden in der Literatur als Folgen von Schicht- und Nachtarbeit diskutiert.
Bei der Nachtschicht in der Bäckerei hat der Schichtleiter von Berufsanfängern berichtet, welche sich schwertaten, sich an den neuen Rhythmus zu gewöhnen. Vereinzelt sind Azubis wegen ihrem Kreislauf zusammengebrochen, – wie lässt sich das medizinisch erklären, was ist dafür der Grund?
Der Organismus ist nur bedingt anpassungsfähig an einen geänderten Schlaf-Wach-Rhythmus. Insbesondere anfangs können sich deshalb deutlichere Umstellungsprobleme ergeben. Hinzu kommt, dass unser individueller Chronotyp, also wie unsere innere Uhr tickt, eine Rolle spielt. Unsere innere Uhr gibt vor, ob wir Früh-, Neutral- oder Spättyp sind. Insofern fällt die Nachtarbeit jemandem, der Spättyp ist, also abends erst spät müde wird, leichter als jemandem, der Frühtyp ist und bereits am frühen Abend ein großes Schlafbedürfnis hat.
Der Inhaber und Geschäftsführer der Bäckerei ist seit 20 Jahren in der Schichtarbeit tätig und meinte im Interview, für ihn gäbe es nichts Besseres als die Nachtarbeit – kann der menschliche Körper komplett auf Nachtarbeit umstellen?
Nein, das ist nicht möglich. Aber wenn der Geschäftsführer chronotypologisch ein extremer Spättyp ist, passt die Nachtarbeit sehr gut in seinen individuellen Schlaf-Wach-Rhythmus.
Gerade für junge Menschen bringt die Nachtarbeit einen sozialen Aspekt mit sich. Wenn Freund:innen sich zum Feiern treffen, beginnt manchmal die erste Nachtschicht. Was für eine Auswirkung hat die Nachtschicht auf Psyche und das soziale Leben?
Schichtarbeit kann verschiedene Aspekte des sozialen, familiären und beruflichen Umfelds beeinträchtigen, z. B. zu Konflikten zwischen Arbeit, Familie und Freizeitgestaltung führen, die ebenfalls die psychische Gesundheit beeinträchtigen können. Folge ist eine Störung der individuellen Work-Life-Balance.
Nachtarbeit und Schichtarbeit hat negative Aspekte, was die Gesundheit angeht – dennoch gibt es sie und das in mehreren Berufen. Wie kann man sich als Arbeiter:in die Nachtarbeit erträglicher machen?
Bei der Schichtplangestaltung sollten Aspekte der Chronotypologie und der individuellen Work-Life-Balance berücksichtigt werden. Mindestens elf Stunden Ruhezeit zwischen den Schichten sind einzuhalten. Am Nachmittag vor der Nachtschicht ein Power-Nap zu halten, reduziert den nächtlichen Schlafdruck. Nach der Nachtschicht in der Morgensonne eine Blaulichtfilterbrille zu tragen, kann helfen, morgens eher in Schlaf zu finden. Denn das natürliche Morgenlicht mit hohem Blaulichtanteil unterdrückt die Ausschüttung unseres sog. Schlafhormons Melatonin.
& Ab jetzt alles Bio
Wie wirkt sich die Ukraine-Krise auf die Bäckerei derzeit aus? Und sind regionale Produkte automatisch immer besser? Ferdinand Wagner, Geschäftsführer der Biobäckerei Wagner beantwortet im Podcast diese Fragen und erzählt auch, wie schwer die Umstellung seines Betriebes teilweise war:
von Alice Swoboda
