Ein Leben ohne Kinder – Die bewusste Entscheidung zur Sterilisation

Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst dafür, keine Kinder zu bekommen. Die Gründe dafür sind vielfältig vielen fehlt das Bedürfnis zur Elternschaft oder sie wollen sich auf die eigenen Hobbys fokussieren. Auch klimatische und politische Beweggründe veranlassen viele, ohne Kinder alt zu werden. Marie, Eyleen, Carolin und Lima stellen sich gegen die gesellschaftliche Erwartung Mutter zu werden und haben sich für eine Sterilisation entschieden. Ihre Wahl stößt jedoch auf Widerstand und Vorurteile.

Jasmin Andreas & Sarah Holzapfel

Bewusste Kinderlosigkeit ist heutzutage ein immer größeres Thema. | Quelle: Jasmin Andreas

Sterilisation mit 19 Marie

Bücher liegen verstreut auf einer Couch, an einer Wand hängen eingerahmte Bilder von Eishockeyspielern. In allen Ecken des Wohnzimmers befinden sich Fanartikel des Fußballvereins FC Bayern München. Die Einrichtung der kleinen Dreier-WG in München spiegelt die Persönlichkeit der 20-jährigen Marie vollkommen wider. In ihrem jungen Alter hat die sportbegeisterte Studentin bereits eine Entscheidung getroffen, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Sie wusste schon immer, dass sie niemals Kinder bekommen möchte und hat sich mit 19 Jahren sterilisieren lassen.

Marie in ihrer WG. | Quelle: Jasmin Andreas

Als Marie ihrem Umfeld von dieser Entscheidung erzählt, stößt sie auf unterschiedliche Reaktionen. Für ihre Mutter ist es keine Überraschung, da die beiden bereits offen über das Thema gesprochen haben und sie Marie in ihrem Entschluss unterstützt. Zudem bemerkte sie schon in Maries Kindheit und Jugend, dass ihre Tochter keine Kinder mag. „Das war auf Familienfesten vielleicht etwas offensichtlich. Ich war dann doch lieber bei den Erwachsenen, die Fußball geguckt haben.“

Doch nicht alle in ihrer Familie reagieren verständnisvoll. Marie ist in einem Mehrgenerationenhaus aufgewachsen und einige Familienmitglieder können ihre Entscheidung absolut nicht nachvollziehen. Ihre Tante hat für zwei Monate kein Wort mit ihr gesprochen und beharrt darauf, dass der Wunsch nach Kindern mit der Zeit noch kommen wird. Auch ihr Großvater war zunächst schockiert, hat aber inzwischen Maries Entscheidung akzeptiert, mit den Worten: „Immerhin kannst du dann keine Teenie Mutter werden.”

Das Alter als Hürde bei einer Sterilisation

In Maries Jugend verfestigt sich eine allgegenwärtige Angst vor einer Schwangerschaft, die sie immer mehr in ihrem Leben einschränkt und daran hindert, Erfahrungen zu sammeln. „Ich hatte unfassbare Angst, intim mit Menschen zu werden, weil ich Angst davor hatte, schwanger zu werden“, erinnert sie sich. Verhütungsmethoden, wie die Pille, Kondome oder die Spirale seien ihr zu unsicher, da Schwangerschaften trotzdem passieren können. Die Sterilisation scheint die Erlösung für Maries Ängste und Sorgen zu sein und ist für viele der finale Schritt zu einem kinderfreien Leben.

Sterilisation bei Menschen mit Uterus - Tubenligatur

Die Tubenligatur ist ein operativer Eingriff und eine dauerhafte Verhütungsmethode. Bei der Operation werden die Eileiter verschlossen, wodurch die permanente Unfruchtbarkeit geschaffen wird. Die Kosten für eine Tubenligatur sind je nach Ärzt:in unterschiedlich und können zwischen 500 und 1.700 Euro betragen.

(AOK)

Menschen, die bewusst kinderfrei leben, werden noch immer mit Vorurteilen konfrontiert. Das oft gehörte Argument, ein Partner könnte für den großen Umschwung sorgen und einen Kinderwunsch wecken, macht für Marie wenig Sinn. „Das könnte mein Traummann sein, aber wenn das nicht übereinstimmt, dann werden wir uns auch im Rest der Beziehung nicht verstehen.“

Vor allem weil Marie mit ihren 19 Jahren noch sehr jung war, stellte sich die Suche nach einem passenden Arzt oder Ärztin für die Sterilisation als eine Herausforderung dar. Mit welchen Vorurteilen Marie dabei konfrontiert wurde und wie die Operation abgelaufen ist, erzählt sie in der folgenden Podcast-Episode.

Dabei kommt zusätzlich Stephanie Barth zu Wort, die als Oberärztin am Isarklinikum Beckenbodenzentrum in München Sterilisationen durchführt. Sie erzählt, worauf sie beim Vorgespräch achtet und wie die Operation abläuft.

Mit der Sterilisation geht für Marie ein Traum in Erfüllung. Ein Jahr später blickt sie mit Stolz auf ihre Entscheidung zurück und bereut den medizinischen Eingriff kein bisschen.

„Jetzt kann ich alles ausprobieren, was ich will und kann durch die Welt gehen ohne Angst zu haben.“

Marie Melson

Ein Blick in die Zukunft

Für ihre Zukunft kann Marie sich vorstellen, mit Freund:innen oder einem Partner bis an ihr Lebensende zusammenzuleben. Ein Haustier als Begleiter durch ihr Leben hat sie bereits. Mit ihrem Hund Artemis unternimmt sie Sachen, die andere mit ihren Kindern machen würden. Einmal im Jahr nimmt sie ihn mit in den Urlaub und zu seinem Geburtstag gibt es das volle Programm mit eingeladenen Gästen, Hundekuchen und Dekoration.

Platz für ein Kind bleibt da nicht und mit der Unterstützung ihrer Freunde und Mutter blickt Marie optimistisch auf ihr zukünftiges Leben.

„Sie hat schon vor Jahren damit abgeschlossen, irgendwann Enkelkinder zu bekommen. Sie hat meinen Hund quasi als haariges Enkelkind, das reicht ihr.“

Marie mit ihrem Hund Artemis. | Quelle: Marie Melson

Für ihre Zukunft kann Marie sich vorstellen, mit Freund:innen oder einem Partner bis an ihr Lebensende zusammenzuleben. Ein Haustier als Begleiter durch ihr Leben hat sie bereits. Mit ihrem Hund Artemis unternimmt sie Sachen, die andere mit ihren Kindern machen würden. Einmal im Jahr nimmt sie ihn mit in den Urlaub und zu seinem Geburtstag gibt es das volle Programm mit eingeladenen Gästen, Hundekuchen und Dekoration.

Platz für ein Kind bleibt da nicht und mit der Unterstützung ihrer Freunde und Mutter blickt Marie optimistisch auf ihr zukünftiges Leben.

„Sie hat schon vor Jahren damit abgeschlossen, irgendwann Enkelkinder zu bekommen. Sie hat meinen Hund quasi als haariges Enkelkind, das reicht ihr.“

Marie und ihr Hund Artemis. (Quelle: Marie Melson)

Platz für ein Kind bleibt da nicht und mit der Unterstützung ihrer Freunde und Mutter blickt Marie optimistisch auf ihr zukünftiges Leben.

„Sie hat schon vor Jahren damit abgeschlossen, irgendwann Enkelkinder zu bekommen. Sie hat meinen Hund quasi als haariges Enkelkind, das reicht ihr.“

Ein langer Weg zur Sterilisation Eyleen

Ähnlich wie Marie hat sich auch Eyleen für eine Sterilisation entschieden. Von der Entscheidung zu diesem Schritt bis hin zur endgültigen Operation ist jedoch mehr Zeit vergangen. Zwar setzt sich die jetzt 27-Jährige schon früh mit dem Thema und der Operation auseinander, aus Angst vor Ablehnung erfolgt die eigentliche Kontaktaufnahme mit einer möglichen Praxis aber erst Jahre später. Mit Anfang 20 hört Eyleen zum ersten Mal von der Möglichkeit einer Sterilisation, damals schätzt sie ihre Chancen, einen geeigneten Arzt oder eine Ärztin zu finden, aber eher schlecht ein. „Ich habe auch schnell gemerkt, in meinem Alter kann ich das eigentlich vergessen, weil es da keine Ärzte gibt, die das machen wollen würden. Aber es hat mich nicht losgelassen und ist noch lange in meinem Kopf rumgeschwirrt“, beschreibt sie die Situation damals.

Obwohl Eyleen keine eigenen Kinder möchte, ist sie ein sehr familienbezogener Mensch. | Quelle: Eyleen Nonn

Eyleen wusste schon ihr Leben lang, dass das Muttersein nicht das Richtige für sie ist. Statt „Vater, Mutter, Kind“ spielt sie „Vater, Mutter, Haustier“ und sagt schon mit zwölf Jahren, dass sie keine Kinder möchte. Mit dem Erwachsenwerden kommen noch weitere Gründe dazu, weshalb die 27-Jährige keine Mutter sein möchte: „Ich kann mir nicht vorstellen, mich als Person komplett einem Kind widmen zu müssen und dadurch auch mein komplettes Leben anpassen und ändern zu müssen.”

Die Verantwortung für ein kleines Lebewesen zu übernehmen und ihren kompletten Lebensstil anpassen zu müssen, passt nicht zu ihrer Vorstellung vom Leben. „Ich mag das nicht, die ganze Zeit begrabbelt und betatscht zu werden, ich brauche Zeit für mich selber, ich mag es gerne mal meine Ruhe und Stille zu haben.” Alles Gründe, die für Eyleen gegen das Muttersein sprechen. Auch der Gedanke, die Schwangerschaft mit all ihren körperlichen Auswirkungen zu durchleben und das Kind selbst auszutragen, macht Eyleen Angst. Eine Sterilisation als endgültige Sicherheit davor scheint die Lösung zu sein.

Bis zur Operation muss Eyleen mehrere Etappen und Hürden bewältigen

Jahre später nach ihrem ersten Berührungspunkt mit dem Thema, beschäftigt sich Eyleen mit 24 nochmal mit der Sterilisation. Mithilfe des Vereins Selbstbestimmt steril macht sie einen Arzt ausfindig, der den Eingriff trotz ihres jungen Alters und der Kinderlosigkeit vornehmen würde. In Eyleens Heimatstadt Hannover führen zwar zwei Ärzt:innen Sterilisationen durch, jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen: Sie nehmen den Eingriff entweder erst ab 30 Jahren oder nur bei Frauen, die bereits Kinder haben, vor. Der Arzt in Hameln scheint da die nächstgelegene Option zu sein. Aus Angst davor, dass ihre Entscheidung lediglich belächelt wird und ihr die Operation verwehrt bleibt, meldet sie sich erst zwei Jahre später bei dem für sie passenden Arzt und vereinbart ein Vorgespräch.

„Würden Sie denn Kinder bekommen, wenn von heute auf morgen politisch und im Hinblick auf das Klima alles perfekt werden würde? Oder was machen Sie, wenn Sie morgen Ihren Traumprinz treffen und er Kinder möchte?“

Eyleens Arzt im Vorgespräch

Diese und weitere Fragen werden Eyleen in ihrem Vorgespräch gestellt und Eyleen kann sie selbstsicher beantworten, denn auch in einer perfekten Welt will sie keine Mutter sein und ihr Traumprinz möchte keine Kinder. Außerdem stellt ihr Arzt sicher, dass sich seine Patientin bereits mit ihrer Familie über ihre Entscheidung verständigt hat und auch auf böse Kommentare gewappnet ist: „Da hat er eben recht schnell gesagt, alles gut, er sieht, das ist keine Schnapsidee, sondern ich hab mir Gedanken gemacht und dem Ganzen schon ausgesetzt.”

Bevor sie ihren endgültigen Termin für die Operation vereinbaren darf, muss Eyleen aber nochmal zu pro familia. Pro familia ist eine bundesweite Beratungsstelle zu den Themen Schwangerschaft, Sexualität, Partnerschaft und Elternsein. Dort soll sie eine Bestätigung für ein Beratungsgespräch erhalten, welche ihr Arzt als Bedingung für die OP stellt. Eyleens Sorge, pro familia würde alles versuchen, um sie umzustimmen, ist unbegründet. Statt ihre Entscheidung zu hinterfragen, gibt die dortige Mitarbeiterin Eyleen die Möglichkeit, Fragen zur Sterilisation zu stellen. Dieses letzte Gespräch dient zur unabhängigen Beratung und Aufklärung abseits des Arztes und ist somit noch eine weitere Formalität. Dadurch soll erneut sichergestellt werden, dass die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen wird, sondern sorgfältig durchdacht ist. Nach 5 Minuten verlässt Eyleen das Büro wieder mit dem Zettel und darf endlich ihren OP-Termin vereinbaren.

Von Hannover aus macht sich Eyleen am 27. November 2023 auf den Weg nach Hameln. Gleich morgens um 8 Uhr ist dort ihre Sterilisation angesetzt. Trotz Müdigkeit freut sich Eyleen auf die Operation und ist froh, dass der Tag endlich gekommen ist. Nach jahrelangen Überlegungen, Monaten der Arztsuche, Vorgesprächen und dem Warten auf den Termin ist die Operation selbst nach einer Dreiviertelstunde vorüber.

Eyleen freut sich auf ihr Leben nach der Sterilisation. (Quelle: Eyleen)

„Es ist so eine Last von mir abgefallen. Ich kann keine Kinder mehr kriegen und das ist so ein geiles Gefühl für mich, diese Sicherheit jetzt zu haben.”

Eyleen

Geschlechterungleichheit wird auch bei Sterilisationen deutlich

Beinahe zeitgleich, während Eyleen ihre Operation plant, entscheidet sich auch ihr Partner dazu, diesen Schritt zu wagen. Die Ärzt:innen- und Terminsuche für seine Vasektomie verläuft jedoch weniger kompliziert als Eyleens Prozess. „Für ihn war das alles ein bisschen einfacher. Bei Männern ist das irgendwie nicht so ein krasses Thema wie bei Frauen”, erinnert sich Eyleen. Durch eine schnelle Google-Suche findet er sofort einen passenden Arzt in Hannover und kann dort auch gleich online einen Termin vereinbaren. Sein Vorgespräch fällt viel kürzer aus als Eyleens Gespräch und während sie sich verschiedenen fiktiven Zukunftsszenarien stellen muss, wird seine Entscheidung in keinster Weise angezweifelt.

„Es hat mich für ihn gefreut, aber es hat mich unfassbar frustriert und richtig sauer gemacht. Nicht wegen ihm, aber weil das einfach so ungerecht war. Er musste nicht zu pro familia, er wurde nicht vom Arzt eine halbe Stunde befragt, sondern er sagt, er will keine Kinder, und dann wurde 5 Minuten Smalltalk gemacht.” Nach seinem Vorgespräch im September folgt der endgültige Operationstermin im Dezember. Die unterschiedlichen Erfahrungen zeigen deutlich, dass Frauen hierbei noch mit Vorurteilen kämpfen.

Sterilisation bei Menschen mit Penis - Vasektomie

Die Vasektomie ist eine dauerhafte, operative Verhütungsmethode, bei welcher die beiden Samenleiter durchtrennt werden. Dies sorgt dafür, dass die Zeugungsunfähigkeit sichergestellt wird.

Im Vergleich zur Sterilisation bei Personen mit Uterus, der Tubenligatur, ist die Vasektomie weniger aufwändig und mit geringeren Operationsrisiken verbunden. Als nicht medizinisch-notwendige Operation wird die Vasektomie nicht von der Krankenkasse übernommen. Die Kosten dafür betragen je nach Praxis zwischen 400 und 750 Euro und sind somit in den meisten Fällen geringer als für eine Tubenligatur.

(BZgA)

Um kein unnötiges Operationsrisiko einzugehen und die Kosten zu sparen, entscheidet sich in vielen Fällen nur eine Person in einer monogamen Beziehung für eine Sterilisation. Dass sowohl Eyleen als auch ihr Partner diesen Schritt vollzogen haben, liegt unter anderem daran, dass sie in einer polyamoren Beziehung leben und beide noch weitere Personen treffen. Um dabei den größtmöglichen Schutz zu gewährleisten, schätzt Eyleen die Operation für sich und ihren Partner als sinnvoll ein. Fernab davon war Eyleen die Sterilisation für sich selbst wichtig, sodass sie sich unabhängig von anderen Personen und Partnern dafür entschieden hat: „Ich bin schon stolz auf mich, dass ich das durchgezogen habe und bin einfach glücklich, dass ich es gemacht habe”.

Gemeinsam kinderfrei glücklich Caro

Caro und Robert sind mit ihrem Leben zu zweit zufrieden. | Quelle: Carolin Bocek

Die 30-jährige Carolin und ihr Mann Robert leben als Paar in einer monogamen Beziehung zusammen und möchten keine Kinder bekommen. Anders als in Eyleens Beziehung hat sich nur Caro für die Sterilisation entschieden. Was ihr Leben ohne Kinder ausmacht und wie Caros Prozess hinter der Operation abgelaufen ist, zeigt das folgende Video:

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Ein unerfüllter Traum Lima

Auch die 28-jährige Lima hat sich für ein Leben ohne Kinder entschieden. Schon seit ihrer Kindheit fehlt ihr das Bedürfnis des Mutterseins und mit Mitte 20 verfestigt sich ihre Entscheidung, keine Kinder zu wollen. Obwohl Lima in ihrem Umfeld viel und gerne mit Kindern zu tun hat, kann sie sich nicht vorstellen, eigene zu bekommen. Die gelernte Storyboard Künstlerin in Film und Animation hat ein Jahr in Japan als Lehrerin verbracht und dort Kinder beim Aufwachsen begleitet. Die Tatsache, dass momentan viele ihrer Freund:innen Eltern werden, hat sie noch einmal in ihrem Entschluss bestärkt.

Aufgrund ihrer fürsorglichen Art im Umgang mit Kindern konnten jedoch viele ihre Entscheidung anfangs nicht nachvollziehen. Lima erinnert sich an die Reaktion einer Freundin:

„Sie hätte das irgendwie nicht von mir gedacht, weil ich halt so liebevoll mit Kindern umgehe und mich ja auch immer freue, mit ihren Töchtern zu spielen.“

Für Lima gibt es neben dem fehlenden Bedürfnis des eigenen Mutterseins noch viele andere Gründe, kinderfrei zu leben. Auch der finanzielle Aspekt spielt eine große Rolle, da Kinder schlichtweg zu teuer für sie wären. Außerdem sei die wackelige Beziehung zu ihren Eltern für sie ein Beweis, dass nicht jeder Mensch automatisch Elternliebe entwickelt und viele Kinder ohne Zuneigung aufwachsen. Das Generationstrauma, was ihr erfahren ist, möchte Lima nicht weitergeben.

Lima mag Kinder, möchte aber keine eigenen. | Quelle: Lima

Das Frauenbild in der Gesellschaft

Mit einer deutschen Mutter und einem marokkanischen Vater ist Lima in zwei verschiedenen Welten aufgewachsen. In der Familie ihres Vaters ist es üblich früh viele Kinder zu bekommen, was Lima kritisch bewertet: „Sobald du deine Tage kriegst, giltst du als Frau in der Kultur.“ In einem jungen Alter bekommen die Mädchen dementsprechend die „Aufgaben einer Frau“ aufgetragen. „Nach dem Essen müssen die Mädchen den Tisch abräumen, obwohl der Bruder noch daneben sitzt und mithelfen könnte.” Von klein auf werden den Kindern geschlechtsspezifische Aufgaben zugeteilt, welche sich in einer patriarchalen Gesellschaft verfestigen.

Generell findet Lima das Frauenbild sowohl in der deutschen als auch der marokkanischen Kultur einschränkend und limitierend. Frauen würden sich selbst oft an zweiter Stelle setzen und ihre eigene Persönlichkeit untergraben.

„Sobald du schwanger bist, bist du die schwangere Freundin, die schwangere Schwester, die schwangere Tochter. Und nachdem das Kind geboren ist, bist du die Mutti für alle.“

Lima

Der unerfüllte Wunsch der Sterilisation

Lima hat früh von der Möglichkeit einer Sterilisation erfahren, da einige Frauen in ihrer Familie die Operation aus krankheitsbedingten Gründen durchführen mussten. Für Lima ist die Sterilisation ein freiwilliger Eingriff, zu dem sie schon vor Jahren einen festen Entschluss gefasst hat. Im Vergleich zu Caro und Eyleen sind es nicht Hemmungen oder Ängste vor einer Ablehnung, die sie von der Durchführung der Operation abhalten. Stattdessen kann sich Lima die Sterilisation schlichtweg nicht leisten. Einen passenden Arzt hat sie bereits gefunden, doch das Geld fehlt.

„Sobald ich wusste, es ist eine Möglichkeit, dachte ich mir, das mache ich definitiv. Wäre es von der Krankenkasse bezahlt gewesen, hätte ich es jetzt schon hinter mir. Aber man muss es halt leider selbst bezahlen.“

800 Euro wäre der Preis für die Sterilisation – eine Summe, die sich Lima aktuell nicht leisten kann.

Finanzierung einer Sterilisation

Seitdem die Gesundheitsreform im Jahr 2004 in Kraft getreten ist, übernimmt die Krankenkasse nur noch medizinisch notwendige Sterilisationen. Die freiwillige Tubenligatur zählt somit als „Individuelle Gesundheitsleistung“ (IGeL) und die Patient:innen müssen die Kosten selbst zahlen.

(GVK-Modernisierungsgesetz)

Lima hofft, bei ihrem nächsten Job genug Geld sparen zu können, um endlich ihren langjährigen Wunsch umzusetzen. „Ich habe früher immer gesagt, ich will das machen, bevor ich 28 bin. Jetzt bin ich 28. Also sage ich jetzt: Vor 30, im nächsten Jahr.“

Lima bei ihrer Arbeit als Storyboard Künstlerin. | Quelle: Lima

Ob sterilisiert oder nicht, Lima möchte ihr Leben auf jeden Fall kinderfrei verbringen. Ihre Liebe zu Kindern kann sie auch auf anderen Wegen ausdrücken. Sie kann sich vorstellen, in einem Kinderheim auszuhelfen oder an anderen Programmen teilzunehmen, bei denen sie Kinder betreuen würde. Man müsse nicht Mutter sein, um die Entwicklung und andere schöne Momente mitzuerleben. Seitdem sie 17 Jahre alt war, hat Lima durchgehend gearbeitet und studiert und möchte nun endlich ihr Leben in vollsten Zügen genießen. „Jetzt bin ich langsam da, wo ich sage, jetzt kann ich Urlaub machen, jetzt kann ich die Welt sehen. Wenn ich ein Kind kriegen würde, wäre das alles weg.“

Die Geschichten von Marie, Eyleen, Carolin und Lima zeigen die unterschiedlichen Gründe, wieso sich Menschen gegen das Kinderkriegen entscheiden. Gemeinsam haben sie jedoch, dass der Wunsch der Kinderlosigkeit bereits in der Kindheit entstand.

Einige werden von ihrem Umfeld und Familien unterstützt, andere werden in ihrem Entschluss belächelt und nicht ernst genommen. Die Sterilisation ist für alle ein weiterer Schritt, sich zukünftig sicher zu fühlen. Bis auf Lima haben alle die Operation hinter sich und sind glücklich mit ihrer Entscheidung.

Die Kommentarspalten in den sozialen Medien zeigen, mit welchen Vorurteilen sich bewusst kinderfreie Menschen auseinandersetzen müssen. Auch die vier Frauen hören immer wieder abwertende Sprüche. Um sich nicht rechtfertigen zu müssen, wünschen sich alle Vier, dass das Thema in Zukunft kein Tabu mehr ist.

Jasmin Andreas & Sarah Holzapfel

Besonders begeistert hat uns, dass die Frauen selbstsicher zu ihrer Entscheidung stehen, obwohl sie mit Vorurteilen konfrontiert werden.

Es hat uns gefreut, ihre Geschichten erzählen zu dürfen.