„Feministische Männer?
Ja bitte, unbedingt!“
Alle Feministinnen sind hässlich und grässlich! Feminismus schürt doch nur weiter den Männerhass! Und überhaupt: Feminismus ist doch unnötig, weil Frauen schon gleichberechtigt sind!
Aber ist das wirklich so? Bettina Zehetner vom Verein Frauen* helfen Frauen* räumt damit auf: „Feminismus ist einfach eine gesamtgesellschaftliche Sache von uns allen und ich bin ganz, ganz sicher, dass auch Männer davon profitieren können.“ Deshalb fordert sie: „Feministische Männer? Ja, her damit, unbedingt!“
Anna Ernstberger & Sandra Blumenstingl
Dieser Devise folgen eindrucksvoll die Mitglieder des feministischen Männertisches von StoP (Stadtteile ohne Partnergewalt) in Wels, Österreich: Gerhard Filla, Wolfgang Vogeser und Friedrich Strand. Die Männer treffen sich einmal im Monat, um sich über aktuelle feministische Themen und Probleme auszutauschen und weiterzubilden. Denn nein – Feminismus ist eben nicht nur Frauensache!
So ein Treffen fand auch am 15. Juli statt. Unter dem aktuellen Thema „Fußballgroßereignisse – Anstieg der häuslichen Gewalt?“ wurde in Wels wieder heiß diskutiert. Wie genau das abgelaufen ist, haben wir mit der Kamera begleitet.
Der Pionier des gelebten Feminismus
Seine feministische Art wurde Gerhard Filla (66) schon in die Wiege gelegt. „Ich bin 1958 geboren, meine Mutter hat Vollzeit gearbeitet, bevor sie mich bekommen beziehungsweise meinen Vater kennengelernt hat. Und ich sag jetzt so, mein Vater war damals schon Feminist. Da hat es dieses Thema noch überhaupt nicht gegeben.“ Er lacht stolz. „Mein Vater hat mich genauso gefüttert, mir die Windeln gewechselt, das war damals nicht normal. Er hat mir mal erzählt, dass andere Männer zu ihm gesagt haben: ‚Ja, bist du deppert, was klopfst du jetzt einen Teppich aus, warum bringst du den Müll runter, das ist doch Frauenarbeit!‘ Und er hat ihnen dann aber gesagt, dass das nicht so ist. Damit bin ich aufgewachsen.“
Dass sich alte Denkmuster auch heute noch hinter vermeintlich harmlosen Witzen oder ironischen Kommentaren verbergen, sieht nicht nur Gerhard so. Sprüche wie ‚Die hat bestimmt ihre Tage‘ oder ‚Stell dich nicht so an, es war ja nur ein Scherz‘ oder ‚Die legt es aber auch drauf an, so wie sie rumläuft‘, sind noch immer keine Seltenheit. Dagegen zu halten, solche Aussagen nicht unkommentiert zu lassen, liegt – so wie damals schon seinem Vater – Gerhard sehr am Herzen. Darauf hinzuweisen ist die einzige Möglichkeit, dass ein Umdenken stattfindet. „Es sind kleine Schritte, wenn man denjenigen fragt: ‚Denk vielleicht mal drüber nach, was du gesagt hast – war das wirklich in Ordnung oder angebracht?‘ Aber Kleinvieh macht bekanntlich auch Mist.“
Dem stimmt auch Ines Kappert vom Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie zu: „Darauf aufmerksam zu machen und dafür zu sensibilisieren, das beginnt mit dem darüber Sprechen. Wir müssen nicht denken, dass wir immer das große Buch schreiben oder in die Politik gehen müssen, um dagegen anzugehen.“ Ines Kappert ist sich sicher: „Das können wir alle in unserem Alltag.“
Sooft Gerhard auch in seinem beruflichen Alltag Aufklärung betreiben muss – in seinen eigenen vier Wänden ist das nicht nötig. Muster wie: ‚Frauen müssen sich um den Haushalt kümmern oder jeden Abend eine warme Mahlzeit auf den Tisch zaubern‘, kommen für Gerhard und seine Frau nicht in Frage. Durch seine feministische Erziehung hat Gerhard viel gelernt, seine Frau und er halten wenig von „altertümlichen“ Geschlechterrollen. „Jeder hat seine Stärken. Wir teilen uns die Aufgaben überhaupt nicht nach der klassischen Rollenverteilung auf, sondern nach den individuellen Vorzügen – es macht im Grunde jeder alles.“
Beide bringen ihr Können ein – so ist von den beiden beispielsweise vor allem Gerhard in der Küche zu finden. „Kochen bedeutet für mich Entspannung. Meine Frau hingegen hasst Kochen“, berichtet Gerhard mit einem Schmunzeln. Auch für die Wäsche und das Einkaufen ist hauptsächlich er verantwortlich. „Gleichberechtigung ist das Wichtigste“, davon ist er überzeugt. Das ist keine Einzelmeinung. Bettina Zehetner (vom Verein Frauen* helfen Frauen*) sagt: „Es ist sogar mit Studien erwiesen, dass mehr Glück in Beziehungen liegt, in denen beide an Entscheidungen gleichberechtigt teilhaben. Es ist dann einfach mehr Miteinander, mehr Fürsorge füreinander und auch die Kinder beschreiben sich als glücklicher in solchen Beziehungen.“
Mit seiner Arbeit bei StoP (Stadtteile ohne Partnergewalt) setzt Gerhard sich aktiv für mehr gelebten Feminismus ein. Er will auch an die jüngere Generation diese Werte vermitteln und leitet deshalb auch in Schulen Workshops zum Thema Gewaltprävention. Er spricht dort mit den Schüler:innen über Vorurteile, indem er Fragen stellt wie: „Was ist eigentlich männlich? Was macht einen Mann aus?“ Die Antworten darauf sind oft gespickt mit Stereotypen, „zum Beispiel: eine behaarte Brust, behaarte Beine, das ist dann bis zum Geschlechtsteil gegangen, das eine bestimmte Größe haben muss.“ Diese Vorurteile, wie ein Mann zu sein hat, möchte Gerhard aus den Köpfen der jungen Erwachsenen vertreiben, durch Workshops, Gespräche und ganz viel Aufklärung. „Männer sollten auch heute noch möglichst viel Härte zeigen, undurchdringlich wirken, sie sollten keine Gefühle, keine Schwäche zeigen, nicht weinen. Am besten alles mit sich selbst ausmachen“, so beschreibt Bettina Zehetner vom Verein Frauen* helfen Frauen* dieses Männerbild.
Seinen Optimismus verliert er dabei nicht. Gerhard ist ein Naturtalent darin, das Gute, den Fortschritt in seiner Arbeit zu sehen. „Manche Schüler haben zum Beispiel die Fingernägel lackiert. Das war doch immer ein Tabu bis zum geht nicht mehr. Was bei Mädchen schon immer okay war, das fällt mir jetzt auch bei den Burschen auf – die umarmen sich, legen sich gegenseitig die Hand auf den Oberschenkeln. Ich finde das einfach toll, dass da so ein Umdenken da ist.“ Man hört ihm seine Zuversicht regelrecht an. „Früher hat’s immer geheißen: ‚Ein Indianer kennt keinen Schmerz‘ oder ‚Wird schon wieder, bis du heiratest‘, wenn sich ein Kind wehgetan hat, eine blödere Mitgabe an ein Kind gibt es nicht. Aber ich muss sagen, das hat sich in den letzten Jahren sehr stark geändert.“
Auch Ines Kappert kann das Einsetzen dieses Wandels spüren, aber ganz so optimistisch wie Gerhard sieht sie die Entwicklungen nicht. Sie berichtet von einer Art gesellschaftlichen Widerspruch, denn trotz der scheinbaren Offenheit vieler junger Männer zeichnet sich vor allem nach der letzten Europawahl ein eher antidemokratisches und somit auch antifeministisches Bild der Gesellschaft ab.
„In dem Moment, wo wir uns in einem Rechtsruck befinden, sind feministische und Gerechtigkeitsthemen massiv unter Druck. Denn das feministische Prinzip ist ein inkludierendes Prinzip. Alle sollen teilhaben können, unabhängig von Geschlecht, Klasse und so weiter. Also es geht immer darum, möglichst alle reinzuholen. Mit gleichen Rechten, gleicher Repräsentation und gleichen Ressourcen auszustatten, das ist eine feministische Grundforderung.“
Ines Kappert, Leiterin des Gunda-Werner-Instituts
Ines Kappert ist es wichtig, feministische Erfolge nicht kleinzureden, darauf ausruhen sollte man sich jedoch nicht. „Es gibt extreme Fortschritte in der Diskursebene, aber das ist offensichtlich kein Mittel, um beispielsweise sexualisierte Gewalt gegen Frauen zu stoppen.“ Denn was bei „harmlosen“ Witzen und altmodischen Denkweisen anfängt, kann oft in Gewalt jeglicher Art gegen Frauen gipfeln – in Extremfällen kann es sogar zu einem Femizid kommen.
Über einen solchen Fall sprechen wir auch in der Folge „Die perfekte Utopie?“ des Podcasts „Alles auf eine Karte – zwischen Stolz und Vorurteil“. Dort werden die Auswirkungen der fehlenden feministischen Bestrebungen genauer beleuchtet und die Frage gestellt, wie eine Welt mit mehr Feminismus aussehen könnte.
Gewalt im Verborgenen – die gefährlichen Wurzel patriarchaler Strukturen
Die gesellschaftlichen Probleme hervorzuheben, die zu häuslicher Gewalt führen können, das ist auch Wolfgang Vogeser ein besonderes Anliegen. Er ist aktiver Teilnehmer an den Männertischen von StoP (Stadtteile ohne Partnergewalt) und Sozialarbeiter im Gewaltschutzzentrum in Linz. „Die patriarchale Gesellschaft ist ein wesentlicher Grund für Formen von Männergewalt.“ Auch Ines Kappert spricht von patriarchalen Gewaltverhältnissen. „Ich nehme das nicht so wahr, dass wir in einem totalen Patriarchat leben, das wäre Unsinn. Aber wir haben patriarchale Strukturen in jedem Gesellschaftsbereich.“ Und die seien extrem gefährlich. Diese Strukturen fußen auf dem Ursprungsgedanken des Patriarchats.
„Patriarchat heißt, es ist die Herrschaft des Vaters. Er und seine (männlichen) Abkömmlinge werden in der Gesellschaft privilegiert und diese Privilegien werden mit Gewalt abgesichert.“
Ines Kappert, Leiterin des Gunda-Werner-Instituts
Den Gedanken, als Mann Macht über Frauen zu haben, greift auch Wolfgang Vogeser in seinen Erzählungen auf: „Es schlagen nicht die Frauen, es bedrohen nicht die Frauen. Gefährder sind die Männer – Warum? Weil sie es sich herausnehmen können, weil sie denken, es gehört so. Gerade bei der Extremform, bei einem Femizid, sehen wir Argumentationsmuster und Einstellungen, die erschrecken. Besitzdenken – wenn du nicht mir gehörst, dann darfst du auch keinem anderen gehören. Das kommt wörtlich ganz oft aus der Tätersicht, diese Idee, eine Frau zu besitzen, sie kontrollieren zu können. Das zieht sich durch alle sozialen Schichten und alle Altersgruppen.“ Der Gedanke, man könne von außen sehr leicht Gewalt in einer Partnerschaft erkennen, sei aber ein Trugschluss. „Diese Täter, die teilweise grausame Handlungen begehen, Verletzungen verschiedenster Art – die sind ja keine Monster, die sehen ja nicht so aus. Die passen nicht in das Stereotypbild, im Gegenteil.“ Wolfgang überlegt kurz: „Sie sind häufig überangepasst, sozial integriert. Viele Frauen sagen deshalb: ‚Das glaubt mir meine beste Freundin nicht, wenn ich erzähle, dass der mich auf diese Art und Weise demütigt, isoliert, schlägt, beleidigt. Das glaubt mir niemand.‘“ Er seufzt: „Und wenn sich das über Jahre verfestigt… Das ist schon sehr schwer, aus so einer Gewaltbeziehung rauszukommen.“
Am Anfang merke man oft noch gar nicht, dass sich die Beziehung und das Verhalten des Partners in eine gefährliche Richtung bewege. „Das geht ganz langsam los, der Mann sorgt sich um die Frau – Kommt sie sicher nach Hause? Mit wem trifft sie sich? Das kann aber zu Gewaltformen führen, die mit sozialer Isolation und Kontrolle beginnen.“
Frauen hätten auch ganz oft das Problem, die Schuld bei sich selbst zu suchen, nicht etwa bei den Verhaltensmustern und Einstellungen ihres Partners, so Wolfgang. „Diese Denke nehmen leider auch die Frauen für sich an. Dass sie jahrelang diese Gewaltbeziehung so arrangiert haben, dass sie alles machen, damit er nicht aggressiv wird. Das Einzige, was die Frau steuern kann, ist ihr Verhalten. Dass er das Essen kriegt, das er will. Dass die Wohnung aufgeräumt ist. Also eine massive Anpassung, wobei das nichts hilft. Weil der gewaltbereite Mann immer was finden wird als Auslöser für Gewalt.“
Von der Apotheke zur Aktion – Engagement gegen Gewalt
Frauen, die von psychischer oder physischer Gewalt betroffen sind, versucht auch Friedrich Strand zu helfen. Mit seinen 72 Jahren steht er immer noch täglich in einer Apotheke in Wels versucht aber auch auf ehrenamtlicher Basis eine Beratung für Menschen in Not anzubieten. „Da sind wir mittlerweile drei Männer, die Leute betreuen, die aus unserem Stadtteil Probleme welcher Art auch immer haben. Man hat immer wieder gesehen, dass es Familiensituationen oder Partnersituationen gegeben hat, die – nicht nur gegen Frauen, sondern auch gegen Kinder – von Gewalt gekennzeichnet waren“, erzählt er.
Für ihn persönlich ist diese Arbeit, aber auch das ehrenamtliche Engagement für StoP (Stadtteile ohne Partnergewalt) eine große Bereicherung. Gelerntes und Besprochenes findet vor allem hinter dem Apothekentisch Anwendung. „Ich bin mit Patienten und Kunden täglich beisammen und mir fallen regelmäßig Situationen auf, die ich früher nicht bemerkt hätte. Und dann stoße ich auch wirklich auf Fälle, in denen ich Personen eine Broschüre mitgebe mit Kontakten, an die sie sich wenden können. Das Beraten für mich als Apotheker hat einen sehr guten Anstoß bekommen.“ Friedrich erinnert sich noch gut an eine solche Situation: „Zwei Mädchen, eine weint, stehen im Nachtdienst vor mir in der Apotheke, eine will die Pille danach. Und dann habe ich nicht nur medizinisch nachgefragt, sondern auch, was eigentlich passiert ist. Wenn ich nicht so sensibilisiert wäre, hätte ich das vermutlich nicht gemacht. Und hätte dann vermutlich nicht erfahren, dass sie vergewaltigt worden ist.“ In solchen Momenten weiß Friedrich dann auch genau, was er zu tun hat. „Ich bin mittlerweile besser informiert und kann direkt Lösungen anbieten. Ich kann dann sagen, ‚Melde dich dahin, da gibt’s jemanden, der sich kümmert.‘“
Man merkt schnell, dass Friedrich Strand der Arbeit, der er in all seinen Bereichen trotz seines hohen Alters gewissenhaft und leidenschaftlich nachgeht, sich Zuversicht und ein Hauch Verzweiflung die Waage halten. „Die Hoffnung, dass man mit Kommunikation den ein oder anderen Menschen überzeugen kann, habe ich inzwischen ein bisschen reduziert.“ Er lacht leise. Menschen überzeugen können – damit meint er vor allem, an Männer egal welchen Alters heranzutreten und sie für feministische Themen und die damit einhergehenden Missstände zu sensibilisieren. Bettina Zehetner teilt seine Einschätzung, dass das Interesse daran nicht groß genug ist. „Ich befürchte, dass es immer noch extrem uncool ist, dass Männer sich überhaupt dafür interessieren, das wird oft abgetan, eben als Frauending. Feminismus ist aber nicht einfach nur Sache der Frauen, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Sache von uns allen.“
„Feminismus ist ein Gerechtigkeitsthema“, schließt sich Ines Kappert an. „Es ist der Ansatz, Gerechtigkeit herzustellen, das ist die große Vision. Es soll ein gewaltfreies Zusammenleben möglich sein. Aller Geschlechter.“
Dieser Meinung sind auch die Mitglieder des Männertisches. Sie müssen über die Frage, was ihnen an ihrer Arbeit besonders am Herzen liegt, nicht lange nachdenken.
Aller gesellschaftlichen Probleme, politischen Rückentwicklungen und toxischen Männlichkeitsbildern zum Trotz, setzen sich die drei Männer für eine bessere feministische Welt ein. Jeder mit seinen Ressourcen. Unbeirrt führt jeder seinen Kampf weiter gegen die Missstände der Gesellschaft, in der wir leben.
Denn so wie Ines Kappert, ist ihnen allen klar: „Solange Feminismus als Sache von Frauen oder gar als Hobby von Frauen angesehen wird und eben nicht als grundlegende Arbeit für die Demokratie, wird sich an den Strukturen und Problemen auch nichts ändern.“
Anna Ernstberger & Sandra Blumenstingl
Wir sind begeistert von diesen Männern, die sich mutig für feministische Werte und Gleichberechtigung einsetzen. Ihre Bereitschaft, alte Rollenbilder zu hinterfragen und aktiv gegen Gewalt vorzugehen, inspiriert und zeigt den Weg zu einer gerechteren Gesellschaft.
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