Steckt hinter dem Luxus-Staubsauger ein Schneeballsystem?
Hyla – Ein Staubsauger für über 2.000 Euro, der im Internet viral geht. In den Kommentaren auf Instagram und TikTok wird kontrovers über den Staubsauger diskutiert. Unter den Beiträgen der überzeugten Vertreter:innen wird Hyla häufig ein illegales Schneeballsystem vorgeworfen. Was ist an den Vorwürfen dran?
von Nico Brunnhuber und Noah Knothe

Der Hyla-Staubsauger mit Zubehör. Foto: Noah Knothe
„Alter Schwede, mehr Klischee zu einer Sekte geht ja nicht 😂“, „Der Staubsauger funktioniert so gut, der hat sogar das Hirn weggesaugt“, „Menschen, die sagen, es sei kein Schneeballsystem, kommen aus einem Schneeballsystem 👏“ – so klingen einige der Kommentare, die das Unternehmen Hyla regelmäßig auf Social Media begleiten. Im Internet hat der Hyla einen großen Hype. Die Vertriebler:innen finden immer häufiger ihren Weg in den Feed von Instagram- und TikTok-User:innen.
Das rund 2.200 Euro teure Gerät wird dort nicht nur als besonders leistungsstarker Wasserstaubsauger beworben, sondern auch als Einstieg in ein angeblich lukratives Geschäftsmodell. Weltweit verkaufen über 10.000 Vertriebler:innen für Hyla, in Deutschland sind es laut dem ehemaligen Geschäftsführer Michael Hausenblas über 7.000. Vor allem junge Mütter, Teilzeitkräfte und Influencer:innen zeigen sich begeistert – nicht nur vom Produkt, sondern auch von der Möglichkeit, selbst in den Vertrieb einzusteigen.
Das Versprechen lautet: Geld verdienen mit einem Gerät, das sich angeblich fast von allein verkauft. Doch je mehr Begeisterung öffentlich gezeigt wird, desto häufiger taucht die kritische Frage auf: Handelt es sich hier um seriöses Direktmarketing oder doch um ein Schneeballsystem?
Dieser Frage sind wir in unserer Reportage nachgegangen und haben dafür Gespräche mit einer aktiven Vertrieblerin, einer Aussteigerin und einer Expertin geführt:
Ein klassisches Schneeballsystem – Der Fall S&K
Ein Schneeballsystem lebt davon, dass immer neue Teilnehmer:innen angeworben werden, die Geld in das System bringen. Es gibt weder ein echtes Produkt noch einen nachhaltigen Wert – lediglich die Rekrutierung neuer Mitglieder:innen generiert Einnahmen. Solche Systeme sind in Deutschland nach § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb rechtswidrig, weil sie langfristig nicht funktionieren und viele Beteiligte finanziell schädigen. Durch die strikte Gesetzgebung kommen klassische Schneeballsysteme nur selten vor.
Um zu verstehen, wie ein klassisches und illegales Schneeballsystem aufgebaut ist, lohnt sich ein Blick auf die S&K-Gruppe, die im Jahr 2013 mit einem Verfahren gegen ihr Unternehmen für mediales Aufsehen sorgte. Der Fall der S&K-Gruppe zählt zu den größten Anlageskandalen Deutschlands. Die 2008 gegründete Firma war offiziell im Immobiliengeschäft tätig, bot Anleger:innen lukrative Renditen durch Investitionen in Wohnimmobilien an und präsentierte sich mit Hochglanzbroschüren und glitzernden Erfolgsstorys. Doch hinter der Fassade verbarg sich ein klassisches Schneeballsystem, das tausende Anleger:innen in den finanziellen Ruin trieb.
Ein Schneeballsystem ist ein betrügerisches Finanzmodell, bei dem keine nachhaltige Wertschöpfung stattfindet. Statt Gewinne durch Produkte oder reale Investitionen zu erwirtschaften, werden die versprochenen Renditen an bestehende Anleger:innen aus den Einzahlungen neuer Teilnehmender finanziert. Das System kann nur so lange funktionieren, wie ständig neues Kapital nachfließt – ein ökonomisch instabiles Modell, das früher oder später kollabiert.
Die Gründer zeigten sich in Medien und auf Veranstaltungen als seriöse Unternehmer – mit Rolex-Uhren, Sportwagen und hochmodernen Bürogebäuden. Ein Großteil des eingesammelten Geldes floss laut Anklage nicht in Immobilien, sondern in persönliche Bereicherung und die Aufrechterhaltung der Illusion eines erfolgreichen Unternehmens.
Im Februar 2013 kam es zur Großrazzia: Über 1.200 Ermittler durchsuchten Büros in mehreren Städten. Die beiden S&K-Gründer wurden festgenommen, mehrere Vermögenswerte beschlagnahmt. 2017 folgten Verurteilungen zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Betrugs, Untreue sowie der Bildung eines Schneeballsystems. Der Schaden: Über 11.000 geschädigte Anleger:innen und ein finanzieller Verlust im dreistelligen Millionenbereich. Die S&K-Gruppe ist ein klassisches Beispiel dafür, wie Schneeballsysteme unter dem Deckmantel scheinbar seriöser Geschäftsmodelle auftreten können.
Handelt es sich bei Hyla ebenfalls um eine solche Betrugsmasche?
Die kurze Antwort: Nein, Hyla ist kein illegales Schneeballsystem.
Ein solcher Rechtsstreit wie bei S&K wird den Hyla-Gründer:innen Angelina und Michael Hausenblas erspart bleiben. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gab Funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF, gegenüber bekannt, dass es sich bei Hyla nicht um ein Schneeballsystem handelt.
Also alles kein Problem? Ganz so einfach ist es nicht. Denn das von Hyla genutzte Geschäftsmodell – Multi-Level-Marketing, kurz MLM – weist durchaus Parallelen zu illegalen Schneeballsystemen auf. Das beschreibt auch die Verbraucherzentrale NRW auf ihrer Website: „Das Geschäftsmodell ähnelt einer Pyramide. Auf jeder Stufe gibt es Partner:innen. Sie verdienen an Produkten mit, die von Partner:innen auf anderen Stufen verkauft werden.“ Diese Pyramidenstruktur ist ebenfalls typisch für klassische Schneeballsysteme.
Was ist ein Schneeballsystem – und wie unterscheidet es sich von Multi-Level-Marketing?
Der Hauptunterschied zwischen dem illegalen Schneeballsystem und dem legalen Multi-Level-Marketing ist das verkaufte Produkt. Beim MLM werden reale Produkte verkauft – häufig in Kombination mit einem Provisionsmodell, bei dem Verkäufer:innen neue Partner:innen anwerben dürfen und an deren Umsätzen mitverdienen. Ein solches Provisionsmodell steckt auch hinter Hyla. Im Internet ist zu den Strukturen hinter dem Vertriebssystem kaum etwas zu finden. „Sobald man sich dafür entscheidet, in den Vertrieb einzusteigen, stellt Hyla die Provisionsstruktur transparent und ehrlich dar“, ergänzt jedoch eine Aussteigerin. Sie hat uns den Hyla-Stufenplan zur Verfügung gestellt, der in der Reportage ausführlich erklärt wird.
Was ist Multi-Level-Marketing?
Multi-Level-Marketing ist nicht per se illegal, aber rechtlich und ethisch umstritten, erzählt uns MLM-Expertin Claudia Groß von der Radboud Universität in Nimwegen: Der Produktverkauf wird oft zur Nebensache, der Fokus liegt auf dem Aufbau einer „Downline“ – also auf Rekrutierung und Strukturaufbau. „Ein Kritikpunkt von mir an Multi-Level-Marketing-Systemen ist, dass durch das Anwerben weiterer Leute die eigene Konkurrenz angeworben wird. Das ist im Prinzip nicht sehr nachhaltig. Ein anderer Kritikpunkt von mir ist, dass die Anwerbung häufig im Freundes- und Familienkreis erfolgt. Wenn der Vertrieb finanziell nicht so läuft wie versprochen, kann natürlich auch die Freundschaft oder die Familienbande darunter leiden, das sehe ich sehr oft“, erklärt Groß.
Diese Strukturen lassen sich auch beim Staubsaugerunternehmen feststellen. Bei Hyla erfolgt der Vertrieb fast ausschließlich über direkte Kontakte und Empfehlungen – Hausbesuche, Demos im Bekanntenkreis oder neuerdings virale Clips auf Social Media. Wer überzeugt ist, kann selbst Vertriebspartner:in werden – mit Aussicht auf Provisionen, Bonusmodelle und eine „Karriere“ im Unternehmen. Der Haken: Der Einstieg erfordert oft nicht nur Zeit und Engagement, sondern auch eine erhebliche Eigeninvestition – sei es durch den Kauf eines Geräts oder durch unbezahlte Demo-Arbeit.
Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen warnt in vergleichbaren Fällen regelmäßig vor Risiken solcher Modelle. Zwar sei der Verkauf eines realen Produkts – wie bei Hyla – ein Unterscheidungsmerkmal zu illegalen Systemen. Dennoch bestehe die Gefahr, dass „die Neuanwerbungen zur Hauptquelle des Einkommens werden“, wie eine Sprecherin der Verbraucherzentrale NRW auf Anfrage mitteilt.
Was kann der Hyla-Staubsauger?
Der Wasserstaubsauger und Luftreiniger der Firma Hyla fällt besonders durch den hohen Preis von knapp 2.200 Euro auf. Das Fazit der Kund:innen zum Luxus-Sauger fällt dennoch durchweg positiv aus. Sowohl Aussteiger:innen als auch Kritiker:innen von Hyla berichten von einem makellosen Produkt, das die Erwartungen beim immensen Preis dennoch erfüllen kann.
Der Vorteil des Nasssaugers ist dabei der Wassertank, der häufig als Argument gegen die klassischen Filterstaubsauger eingeworfen wird. Durch den durchsichtigen Behälter lässt sich beim Putzprozess beobachten, wie der Dreck mehr und mehr das Wasser verschmutzt. Ein verlockendes Argument für die Augen, denn egal ob ein Filterstaubsauger die gleiche Menge an Schmutz entfernt, ansehen kann man es dem klassischen Produkt im Gegensatz zum Hyla nicht.
Daher wird der Hyla von den Vertriebspartner:innen häufig als Gesundheits- und Hygieneprodukt vermarktet. Ob er wirklich der König unter den Staubsaugern ist, müssen die Sauger-Liebhaber für sich selbst entscheiden. Dennoch ist klar: Das Produkt Hyla ist weit von einer Betrugsmasche entfernt.
Die überzeugten Vertriebler:innen des Wasserstaubsaugers werben nicht nur über Social Media neue begeisterte Kund:innen an. Der Hyla bekam auch im deutschen Fernsehen auf RTL seine Bühne, als der Reality TV-Star und Vertriebspartner, Fabio Knez, im Dschungelcamp 2024 von seiner Karriere als Staubsaugervertreter erzählte. So wurde auch Karin auf den Hyla aufmerksam. Bereit, die 2.200 Euro zu zahlen, war sie jedoch nicht, weshalb sie ihre eigene Methode entwickelt hat, sich den Hyla zu sichern. Nach der Ausstrahlung fing sie an, den „Porsche unter den Staubsaugern“, wie sie den Hyla beschreibt, zu sammeln. Ihr Ziel: Alle Modelle von Hyla eines Tages ihr Eigen zu nennen. In unserer Podcastfolge erklärt sie, warum der Kauf des Staubsaugers auf dem klassischen Weg für sie nicht infrage kam.
Fazit: Kein Schneeballsystem – aber auch kein Selbstläufer
Zwischen begeisterten Kund:innen, vorwurfsvoller Kritik und dem Verkaufsdruck, den die Vertriebler:innen erleben, lässt sich trotzdem eindeutig festhalten: Hyla ist kein illegales Schneeballsystem. Es werden reale, physische Produkte verkauft – das unterscheidet es juristisch klar von verbotenen Modellen. Aber: Das Multi-Level-Marketing-Prinzip, auf dem Hyla basiert, birgt Risiken. Wer sich für den Einstieg entscheidet, sollte sich bewusst sein, dass viele Beteiligte am Ende wenig oder gar nichts verdienen – vor allem, wenn der Fokus mehr auf dem Werben neuer Vertriebspartner:innen als auf tatsächlichem Verkauf liegt.
„Aber nicht die Tatsache, dass ein Team aufgebaut und daran mitverdient wird, ist problematisch, sondern dass in MLM-Unternehmen oft behauptet wird, dass jeder ganz oben in der Provisionskette sein kann“, erläutert Groß.
Inwiefern das bei einem späteren Einstieg in ein solches Vertriebsmodell noch möglich ist, bleibt fraglich. Denn je später man einsteigt, desto mehr Konkurrenz und Vertriebler:innen in höheren Positionen gibt es. Dadurch wird ein erfolgreicher Vertrieb mit hohen Verkaufszahlen und damit der Aufstieg innerhalb des Systems immer unwahrscheinlicher.
„Für mich hat das etwas ethisch, sozial Zweifelhaftes, ist aber nicht verboten“, fasst Groß ihre Kritik an MLM-Systemen zusammen.

Nico Brunnhuber & Noah Knothe
Manchmal nimmt einen eine Recherche mit – und manchmal gleich den ganzen Algorithmus. Was als Analyse eines Vertriebssystems begann, wurde zur Reise in eine Welt aus Verkaufsrhetorik und Instagram-Hypes. Wir sind zurück – aber sauberer als je zuvor.