Wann ist es denn bei euch soweit?
Schwanger werden ist für die meisten das Leichteste der Welt. Aber was ist mit den Menschen, die dieses Glück nicht erleben können? Zwei Frauen erzählen von Wut auf ihren Körper, gleichzeitig von der Kraft, neue Wege zu gehen.
Eigentlich ist das Ottermeer ihr Ort zum Abschalten. Nur ein paar Kilometer von der Nordsee entfernt liegt der See idyllisch zwischen Bäumen versteckt. Doch noch bevor Feeke Scholz mit ihrer üblichen Runde um den See beginnen kann, bemerkt sie auf dem Spielplatz eine schwangere Frau. Ein Anblick, den die meisten von uns kaum bewusst wahrnehmen – aber Feeke schon. „Noch vor zehn Jahren hätte mich das extrem getriggert. Jetzt nehme ich die schwangere Frau wahr und weiß – zumindest meistens – damit umzugehen“, erzählt die schlanke 45-Jährige mit ihren blonden, kurzen Haaren. Dass ihre graublauen Augen auch heute noch jede schwangere Frau in ihrer Umgebung wahrnehmen, hat einen Grund: Feeke kann keine Kinder bekommen, obwohl sie sich in ihrem Leben nichts mehr gewünscht hätte.
Den gleichen Wunsch hat auch Jacqueline Culcouglu. Jung, mit langen, braunen Haaren und einem Disney-Shirt wirkt sie locker und unbeschwert. Doch mit ihren 24 Jahren musste sie schon einiges durchmachen: Auch ihr und ihrem Mann ist es so gut wie unmöglich, auf natürlichem Wege Kinder zu bekommen. Zwei Frauen, eine Hoffnung: Mutter werden. Doch auf ihrem Weg gibt es Hürden, oft zu hoch, um sie zu bewältigen.
Die Diagnose
Jedes sechste Paar in Deutschland bleibt ungewollt kinderlos. Feeke und ihr Mann sind eines von ihnen. „Ich bin quasi mit dem Kinderwunsch auf die Welt gekommen. Für mich gab es nie ein Leben ohne Kinder. Von klein auf war mir klar, dass ich mit Kindern zusammenarbeiten werde und auch selbst welche haben möchte“, erzählt sie. Zunächst sah auch alles danach aus, dass dieser Plan aufgeht. 2003 tritt sie nach ihrer Ausbildung eine Stelle als Erzieherin in einer Kindertagesstätte an. 2004 lernt sie ihren heutigen Mann Sascha kennen. Ein paar Jahre später, Anfang 2008, soll es dann mit der Kinderplanung losgehen. „Da haben wir gesagt, jetzt legen wir es drauf an und dann wird das schon klappen. Aber es klappte nicht.“
Weil sie Schmerzen hatte, suchte die zu dem Zeitpunkt 31-Jährige ihren Frauenarzt auf, der bei einer Ultraschalluntersuchung feststellte, dass etwas mit dem rechten Eileiter nicht stimmt. Feeke wurde zur weiteren Behandlung in die Frauenklinik nach Westerstede geschickt. Schnell war klar, dass beide Eileiter sehr auffällig und verwachsen waren. „Die Diagnose hat meine Welt zumindest schonmal ein Stück weit ins Wanken gebracht. Auch wenn ich zunächst nicht einordnen konnte, was das bedeuten könnte. Die Ärztin hat mir dann auf sehr emphatische, aber auch direkte Weise geschildert, was das heißt.“
PCO-Syndrom
Das Polycystische Ovarialsyndrom ist mit 5-10 % die häufigste Hormonstörung bei Frauen im gebärfähigen Alter. Durch die Krankheit finden keine regelmäßigen Eisprünge statt, weshalb es oft zu einem erschwerten Schwangerschaftseintritt kommt.
Follikel
Follikel sind bläschenartige Gebilde im Innern der Eierstöcke. In jedem Zyklus reifen mehrere Follikel heran und in jedem von ihnen eine Eizelle. Ein Follikel hat dabei einen Vorsprung bei der Entwicklung, aus dem sich dann die Eizelle löst. Die übrig gebliebenen Follikel bilden sich wieder zurück.
Der Traum wird zum Albtraum
In einer Kinderkrippe in der Nähe von Neu-Ulm hat Jacqueline ihren Traumberuf gefunden. Nach einer fünfjährigen Ausbildung arbeitet sie nun seit zwei Jahren mit den Kindern im Alter von unter drei Jahren zusammen. Doch dass ihr Traumjob zum Albtraum werden könnte, hätte sie vor drei Jahren noch nicht gedacht. Nachdem sie 2019 ihren Mann Ismail geheiratet und ihre Ausbildung ein Jahr später beendet hatte, wollten die beiden selbst Eltern werden. Jacqueline setzte die Pille ab, doch es passierte erstmal nichts. Bis Oktober bekam sie ihre Periode nicht und ging daraufhin zu ihrer Frauenärztin. Diese stellte fest, dass Jacqueline das PCO-Syndrom hat. Durch den fehlenden Eisprung kann Jacqueline nicht schwanger werden. Die Frauenärztin empfahl eine direkte Überweisung in die Kinderwunschklinik, doch Jacqueline wollte es zunächst weiter selbst versuchen. „Mit 22 habe ich das noch nicht so richtig ernst genommen und dachte mir, das wird schon werden.“ Damals nahm Jacqueline drei Monate lang das Medikament Clomifen, das die Follikel zum Wachsen anregt und einen Eisprung auslöst. Nachdem das Medikament keine Wirkung zeigte, suchte sie im April 2021 dann doch Hilfe in der Kinderwunschklinik in Ulm.
Viele Ärzte, viele Meinungen
Für Feeke gab es nach den Befunden der Ärztin keine andere Wahl als eine Operation im Februar 2009. Eine Bauchspiegelung mit sogenannter Blauspülung wurde angesetzt. Eine gefärbte Flüssigkeit wird dabei durch die Eileiter gespült, um zu sehen, inwieweit diese frei sind. Der linke Eileiter war jedoch so verformt und vernarbt, dass er entfernt werden musste. Der rechte wurde freigeschnitten und durchgespült, doch schon nach wenigen Wochen war dieser wieder verwachsen.
Eine Woche musste Feeke nach der OP in der Frauenklinik bleiben. Eine Woche, viele Ärzte, viele Aussagen. „Fünf Ärzte bedeuten auch fünf Meinungen. In der Woche wurde mir alles gesagt. Einige meinten, es sei kein Problem, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Die anderen hielten eine Schwangerschaft ohne IVF für unmöglich. Das war der Punkt, als ich das erste Mal zusammengebrochen bin.“ Jetzt war der Verdacht zur Realität geworden und erstmals wurde ihr und ihrem Mann bewusst, dass da ein großes Thema auf sie zukommt. „Wegen der erneuten Verklebungen meinte mein Gynäkologe bei der nächsten Behandlung auch ziemlich deutlich, dass wir ohne eine Kinderwunschbehandlung keine Eltern werden können.“ Das war nochmal ein Schlag in den Magen, wenn dir das jemand so direkt sagt.“ Auch heute, mehr als zehn Jahre später, muss Feeke schlucken, wenn sie darüber spricht. Es ist unübersehbar, wie sehr ihr diese Worte auch heute noch im Kopf umherschwirren.
IVF
Die In-Vitro-Fertilisation ist eine Art der künstlichen Befruchtung. Für die Behandlung werden der Frau Eizellen entnommen, die in ein Reagenzglas mit Spermien des Partners gegeben werden. Nach der Befruchtung werden die Eizellen der Frau wieder eingesetzt, wo sie sich in die Gebärmutter einnisten müssen.
Der Weg zur künstlichen Befruchtung
Nach ihrem Besuch in der Kinderwunschklinik Ulm wurde Jacqueline neben der Einnahme von Clomifen zusätzlich mit Spritzen behandelt, die den Eisprung auslösen sollten. Nach weiteren drei Monaten brachte aber auch diese Methode keinen Fortschritt. Mittlerweile war es Sommer 2021 und Jacqueline wurde langsam bewusst, dass das ganze Thema nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist. „Je mehr ich probiert habe, desto schlimmer wurde es. Ab Juni, also ein Jahr nach Absetzen der Pille, wurde es so belastend für mich, dass ich regelmäßig bei einer Psychologin in Behandlung war. Dort habe ich auch entschieden, dass ich nun eine IVF machen will und es nicht weiter so probieren möchte.“ Trotz ihres noch jungen Alters war Jacqueline fest entschlossen und wusste, was sie will. Also startete das Ehepaar im Dezember 2021 eine IVF als Selbstzahler, da Jacqueline noch keine 25 Jahre alt ist und somit der Staat keine Kosten übernimmt.
„Am Anfang der Kinderwunschbehandlung war es wunderschön. Psychisch war ich noch nie so gesund wie in den Wochen, wo ich spritzen und stimulieren konnte, weil ich dachte, jetzt klappt es. Der Kopf hat sich so umgestellt, dass keine einzige Spritze wehtat.“ Doch nach dem Hoch folgte das Tief. Nach der Eizellenentnahme ging es Jacqueline immer schlechter. Sie musste viele Schmerzmedikamente nehmen und entwickelte eine Magenschleimhautentzündung. „Ich habe danach gesagt, dass mache ich nie wieder, egal was rauskommt. Das schaffe ich nicht noch einmal. Mir ging es noch nie so schlecht.“ An Weihnachten sah es dann auch so aus, als müsse sie es tatsächlich nie wieder machen. Der Schwangerschaftstest war positiv. Ein Weihnachtswunder.
Doch auch hier liegen Freud und Leid wieder dicht beieinander. In der 4. Woche der Schwangerschaft erlitt Jacqueline eine Fehlgeburt – und damit änderten sich auch wieder ihre Gefühle. „Diese kurze Schwangerschaft gab mir Hoffnung. Mir war egal, was ich davor gesagt hatte. Ich wusste, dass ich es sofort wieder mache. Jetzt war nämlich klar, dass es funktionieren kann. Ich glaube, die Fehlgeburt habe ich in dem Sinne auch gebraucht, denn wäre der Test einfach negativ gewesen, hätte ich wahrscheinlich gesagt, ich schaffe das nicht nochmal für gar nichts.“ Dafür, dass die erste Fehlgeburt erst ein halbes Jahr her ist, spricht sie zwar bestimmt, aber auch ohne viele Emotionen zu zeigen, als wolle sie will das Thema nicht zu nah an sich heranlassen.
Psychischer Druck
Nach der klaren Aussage des Gynäkologen, dass ohne Behandlung keine Schwangerschaft möglich sei, folgte für Feeke und ihren Mann die Kontaktaufnahme zur Kinderwunschklinik in Oldenburg. Nach dem Vorstellungsgespräch begann im Februar 2010 die Behandlung. „Ich bekam erstmal eine ganze Batterie an Hormonen und Medikamenten. Dazu zählten auch Spritzen, die ich mir jeden Tag geben musste.“ Diese sollten die Eizellenbildung stimulieren, damit sie unter Narkose kurz vor dem Eisprung per Punktion entnommen werden konnten. Zwei der Eizellen ließ sich Feeke direkt im Zyklus nach der Entnahme einsetzen, da ihr Körper bereits stimuliert war. Die anderen acht wurden eingefroren. Bereits im Vorfeld wurde dem Paar jedoch gesagt, dass es bei vielen Paaren beim ersten Mal nicht klappt. Deshalb konnten Feeke und ihr Mann mit dem negativen Testergebnis Mitte März auch noch relativ gut umgehen und setzten die Hoffnung schnell auf den nächsten Versuch.
Zu dem Zeitpunkt wussten weder Freunde noch Familie über die künstliche Befruchtung Bescheid, um keine falsche Hoffnung zu schüren. Doch um den Druck vor dem zweiten Transfer im April 2010 zu minimieren, entschied sich das Paar schließlich, die wichtigsten Menschen in ihrem Umfeld einzuweihen. „Danach habe ich für mich gemerkt: Ich werde mental getragen. Ich muss diesen Druck nicht allein aushalten und das hat mir in diesem Moment schon gutgetan.“ Auch als sie ihren Kolleginnen bei der Arbeit von der Behandlung erzählt, nimmt ihr das viel Zeitdruck und bringt im Gegenzug Verständnis.
Rückzugsort auf Instagram
Viele tun sich schwer, von den Schwierigkeiten und den Behandlungen zu erzählen, weil es einerseits ein sehr privates Thema ist und andererseits viele unsicher wegen der Reaktionen sind. So ging es auch Jacqueline. „Dein Körper kann das Leichteste der Welt nicht. Jede Frau ist dafür geboren, Kinder zu bekommen und du kannst es nicht. Da schämt man sich am Anfang.“ Neben ihrem Mann war ihre Mutter von Beginn an die wichtigste Ansprechpartnerin. Aber erst durch Instagram lernte sie, wirklich offen mit dem Thema umzugehen. Auf ihrem Kinderwunsch-Account nimmt sie ihre Follower:innen mit auf die Reise.
Während sie mit einem breiten Lächeln von ihrer Community erzählt, wird deutlich, wie wohl sie sich dort fühlt. Es ist ein Rückzugsort, wo sie offen über Gefühle und Gedanken sprechen kann, ohne verurteilt zu werden. „Dort habe ich erstmals gemerkt, dass ich nicht allein bin. Ich bin nicht die einzige Frau, die es nicht auf die Reihe bekommt und ich bin auch nicht schuld daran. Die Mädels dort sind die einzigen, die mich wirklich zu 100 Prozent verstehen.“ Viel läuft über Tipps, Motivation und Erfolgsgeschichten, was den Betroffenen wirklich zu helfen scheint. Ihre Arbeit als Erzieherin stellte sich dagegen nach der ersten Fehlgeburt als Wechselbad der Gefühle heraus. „Andere Schwangere zu sehen ist schwierig und das ist bei meiner Arbeit ja keine Seltenheit. Andererseits geben die Kinder mir so viel zurück und ich habe natürlich immer noch die Hoffnung, dass ich genau die gleichen Momente auch irgendwann erleben kann.“
Wut auf den eigenen Körper
Hoffnung hatte auch Feeke vor ihrem zweiten Versuch im April 2010 – doch auch dieser war wieder erfolglos. „Egal, ob es die guten Blutwerte oder die Reaktionen auf die Hormone waren, bei mir schlug immer alles an. Mein Körper hat immer mitgespielt. Das war auch ein Grund, wieso ich so sauer auf meinen Körper war, dass nur dieses eine kleine Detail nicht funktioniert hat. Du machst doch sonst alles richtig, wieso eben in diesem Punkt nicht?“ 2010 startete das Paar noch einen dritten Versuch, doch nachdem auch dieser scheiterte, entschieden sich die beiden für eine Pause, die – wie sich herausstellte – bitter nötig war.
2011 passierte nichts und Feeke stürzte sich in die Arbeit. Als sie nach dem Jahreswechsel auf 2012 bei der Arbeit war, brach sie dort mental zusammen. Sie suchte ihre Hausärztin auf, die sie sofort krankschrieb. „Da habe ich noch gar nicht verstanden, was das alles soll. Meine Hausärztin meinte dann, ich soll alle zwei Wochen zur Untersuchung kommen und ich habe mich nur gefragt, wie lange ich denn dann bitte zuhause bleiben soll.“ Erst jetzt wurde Feeke bewusst, wie erschöpft ihr Körper war.
Im Mai begann sie schließlich eine Therapie bei einer Psychologin. Hier wurden ihr die Konsequenzen ihrer Flucht nach vorne bewusst: „Ich war so unendlich fertig, so unendlich erschöpft und so unendlich traurig. Ich wusste selbst gar nicht so richtig, was mit mir los war. Erst durch die Arbeit mit der Psychologin wurde mir klar, dass alles damit zusammenhängt, dass mir 2009 gesagt wurde, dass ich keine Kinder bekommen kann.“ Feeke lenkte sich ab. Oft fuhr sie mit ihrem Mann nach Hamburg und gönnte sich eine Auszeit. Sie las viel, traf sich mit Freundinnen oder nutzte die Zeit am Ottermeer für sich selbst. Aber allein durch die getakteten Termine hatte der Kinderwunsch immer eine sehr große Präsenz in ihrem Leben. „Zwar habe ich mich durch schöne Dinge kurz aus diesem Fokus rausbekommen, aber anscheinend war er unterbewusst immer da.“
Wieder eine Enttäuschung
Nach der ersten Fehlgeburt war für Jacqueline schnell klar, dass sie es noch einmal versuchen möchte, denn der Embryo hatte sich eingenistet und sie war schwanger. Es funktionierte also. Sie wagte im Februar 2022 eine weitere künstliche Befruchtung und ließ sich eine eingefrorene Eizelle einsetzen, doch der Schwangerschaftstest blieb negativ. Knapp einen Monat später startete dann der dritte Versuch. Da keine eingefrorenen Eizellen mehr übrig waren, begann das Prozedere mit der Einnahme von Spritzen und Hormonen von vorne. Im Anschluss an die Eizellenentnahme und die Befruchtung ließ Jacqueline sich im März 2022 erneut zwei Eizellen einsetzen. Nach einem zunächst positiven Schwangerschaftstest, folgte aber wenige Wochen später die traurige Gewissheit: Jacqueline hatte erneut eine Fehlgeburt.
Genetische Untersuchung
Bei der Präimplantationsdiagnostik (PID) finden Untersuchungen am Embryo vor der Übertragung in die Gebärmutter statt. Mit dieser Diagnostik wird gezielt nach genetischen Auffälligkeiten oder einer Chromosomenstörung gesucht. Sie wird durchgeführt bei einer künstlichen Befruchtung, nachdem die Spermien die Eizelle befruchtet haben. Am vierten oder fünften Tag nach der Befruchtung werden der Eizelle Zellen entnommen, um die Erbanlagen zu untersuchen.
Erst jetzt machten sie sich auf weitere Ursachen-Forschung, denn der Embryo sah sehr verformt aus, weshalb klar wurde, dass etwas nicht stimmt. „Mein Eisprung war unser Problem zu Anfang, mittlerweile ist es aber das kleinste. Heute habe ich wieder einen Eisprung und die Krankheit relativ gut in den Griff bekommen.“ Nach mehreren Untersuchungen stellte sich heraus, dass Jacqueline Blutgerinnungskontraktionen hat, weshalb sie bei einer weiteren IVF und Schwangerschaft Blutgerinner spritzen muss. Zudem hat sie Endometriose am linken Eierstock und eine Gebärmutterfehlbildung. Alles Hindernisse auf ihrem Weg zum Wunschkind. Das war aber noch nicht alles, denn der größte Baustein ist ein Gendefekt ihres Mannes. Die befruchteten Embryonen sind nicht gesund, weshalb sie von Jacquelines Körper abgestoßen werden. „Vorher habe ich gedacht, es liegt an mir, aber dann verstanden, dass es nicht so ist, sondern dass mit dem Embryo irgendwas nicht stimmt.“ Trotz der schweren Rückschläge stützt sich Jacqueline auf das Positive. Sie betont immer wieder, dass jetzt die Ursachen bekannt sind und es von nun an nur besser werden kann. Für die Diagnose ihres Mannes war das Paar in die Türkei gereist. Ismail ist Türke und sie hatten schon öfter überlegt, dort alle ausstehenden Untersuchungen durchführen zu lassen. In der Türkei geht das nicht nur schneller, sondern ist auch preiswerter.
Die Gendefekt-Diagnose machte in Deutschland alles nur noch komplizierter, weshalb eine schwierige Entscheidung bevorstand. Entweder den nächsten Versuch in Deutschland starten oder sich für eine künstliche Befruchtung in der Türkei entscheiden. „Beides ist nicht schön, aber letztendlich haben wir uns für die Türkei entschieden. Dort haben wir ein besseres Gefühl, weil wir dort auch mehr Spielraum bei der genetischen Untersuchung haben.“
Aktuell machen die beiden also eine dringend benötigte Zwangspause und warten auf ihren nächsten Termin in der Türkei für die Eizellenentnahme. Dort wird dann untersucht, ob eine Eizelle gesund ist, um sie dann ein paar Monate später einzusetzen. Damit beginnt dann die neue Hoffnung auf ein Baby. „Wenn ein gesunder Embryo gefunden wird, liegt die Schwangerschaftsrate bei 70 Prozent, wenn mein Körper da auch mitspielt. Das ist sehr viel und dadurch, dass wir wissen, was der Grundbaustein ist, bin ich schon wieder sehr hoffnungsvoll.“
Sie nutzt die Pause, um abzuschalten und mehr Zeit für andere Dinge zu finden, die in den letzten Monaten untergegangen sind. „Beim Lesen, Serien schauen oder Plotten kann ich in eine andere Welt abtauchen und alles vergessen. Aktuell geht es mir gut und ich kann selbst einteilen, wann ich über das Thema sprechen möchte, aber ich muss mich damit nicht auseinandersetzen, was eine ziemliche Entlastung ist.“
Die Hoffnung aufgeben? Kann Jacqueline sich nicht vorstellen. „Egal was passiert, ich probiere es immer weiter, denn irgendwann wird ein gesunder Embryo und somit ein gesundes Baby dabei sein. Ich würde nie sagen, ich höre auf. Ich kann es mir nicht vorstellen.“
Ein letztes Mal
Nach der langen Auszeit und den Gesprächen mit der Psychologin wagen Feeke und ihr Mann sich im Herbst 2012 an den vierten Versuch. „Mental ging es mir sehr gut und es war die beste Zeit. Ich war entspannt und zuhause. Dadurch hatte ich keinen Termin-Stress.“ Somit starteten sie im November den letzten Versuch, denn eine weitere Eizellen-Entnahme wollten Feeke und ihr Mann nicht durchstehen. „Ich hatte Angst, was das mit mir macht. Das ganze Prozedere von vorne und immer wieder die Hoffnung, auf jeden neuen Versuch zu setzen.“ Die letzten zwei Eizellen wurden aufgetaut und Feeke eingesetzt. Zwei Wochen später nahm das Ehepaar das Ergebnis persönlich in Empfang. „Im Arztzimmer selbst bin ich noch sehr tapfer gewesen. Dann sind wir aus dem Zimmer raus und links die Notfall-Treppe runter direkt zum Ausgang. Bisher hatte ich den Ausgang noch nie nutzen müssen. Ich hatte es immer geschafft durch den Wartebereich gehen zu können, aber an dem Tag konnte ich diese hoffnungsvollen Paare, die vielleicht mit einem ganz anderen Ergebnis nach Hause geschickt werden, nicht ertragen. Andererseits wollte ich denen auch meinen Anblick nicht zumuten.“ Der Test war negativ und damit alle Hoffnungen und Träume für den Moment dahin.
Chancen für Erfolg
Auch die zahlreichen verschiedenen Methoden führen nicht immer zum Ziel. Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist immer sehr individuell und hängt beispielsweise von Alter und Krankheiten ab. Allgemein lässt sich aber sagen, dass nach einer Behandlung, die sich über mehrere Versuche ziehen kann, circa 50 bis 60 Prozent der Patientinnen schwanger werden. Die andere Hälfte muss dagegen irgendwann ihren Wunsch aufgeben.
„Ich wusste, es muss irgendwas passieren. Aber meinen Traumberuf aufzugeben war für mich ganz schlimm und unvorstellbar“. Schließlich entschied sie sich aber doch für einen Berufswechsel und krempelte ihr Leben um. Feeke und ihr Mann reisten viel und konzentrierten sich auf die Dinge, die sie bereits hatten und sie glücklich machten. 2014 und 2021 durften dann ihre Hunde Eddy und Nila einziehen.
„Ich wusste, wir werden keine Eltern werden, aber es passiert etwas in meinem Leben, das auch eine Veränderung beinhaltet. Das hat mich aufgerichtet und mir wieder Freude am Leben gegeben“. Hoffnung hat sie heute in anderen Dingen wiedergefunden. Welche diese sind und wie ihr Weg dorthin verlief, erzählt sie im Podcast.
Einen Tag in der Kinderwunschklinik
Jeden Tag kommen in eine Kinderwunschklinik zahlreiche unterschiedliche Paare, die sich ihren Traum vom eigenen Kind erfüllen wollen. Wie der Alltag eines Arztes dort aussehen kann, könnt ihr im Video sehen.
Hinterlasse einen Kommentar