Demo statt stricken

Seit vier Jahren engagieren sich junge Menschen für den Klimaschutz. Doch dass dieses Problem uns alle etwas angeht, zeigt die Omas for Future Bewegung.

© Omas for Future

Schon immer leidenschaftlich, schon immer engagiert, schon immer für das kämpfend, was zählt: Barbara Hundshammer geht schon seit ihrer Jugend auf die Straße und setzt sich für Themen ein, die ihr wichtig sind. Seit einigen Monaten engagiert sich die mittlerweile 61-Jährige auch bei den Omas for Future in Germering bei München und macht damit auf ein Thema aufmerksam, das für unsere Gesellschaft kaum aktueller und wichtiger sein könnte: den Klimaschutz.

Wenn man Barbara Hundshammer begegnet, ist ihre Leidenschaft direkt spürbar. Sobald ihr ein Thema am Herzen liegt, brennt sie dafür und möchte sich mit aller Kraft dafür einsetzen. Aufgewachsen im tiefsten Niederbayern in der Nähe von Straubing, war sie schon seit ihrer Jugend als „kleine Rebellin“ bekannt. Der Klimaschutz spielte bereits damals eine große Rolle in ihrem Leben. Geprägt wurde dies hauptsächlich durch ihre Eltern.

Nach diesem Vorbild lebt Barbara Hundshammer schon seit ihrer Jugend vegetarisch, später sogar vegan. „Mein Mann und ich leben schon seit 1997 autofrei, haben auch unser Haus damals klimaschonend gedämmt, ich fliege nicht mehr, ich kaufe im Unverpackt-Laden ein und esse nur Bioprodukte seit ich 30 bin“. Barbara versucht dadurch ihren ökologischen Fußabdruck möglichst gering zu halten. Deshalb engagiert sie sich neben den Omas auch noch in vielen anderen klima- und umweltschutzorientierten Initiativen, wie dem Germeringer Weltladen. In diesem werden ausschließlich fair gehandelte Produkte verkauft.

Der ökologische Fußabdruck wird ermittelt, indem unser tatsächlicher Verbrauch von Ressourcen und Fläche in Verhältnis zur Biokapazität der Erde gesetzt wird.

Biokapazität = das Gleichgewicht unserer Erde biologisch nutzbringendes Material herzustellen und gleichzeitig auch den entstehenden Abfall wieder aufzunehmen.

(Quelle: Welthungerhilfe)

Sie hat sich entschlossen, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen und arbeitet selbständig als Heilpraktikerin der Ökopsychologie. Seit Anfang Mai ist sie eine der Omas for Future. Gegründet von Ingeborg Köstner, sind die Germeringer Omas bereits seit einiger Zeit aktiv. Ihre Hauptaktion: Eine wöchentliche Mahnwache in Germering. Dabei stehen sie mit großen Herzen mit der Aufschrift „Omas for Future“ in der ganzen Stadt an gut besuchten Orten und wollen damit signalisieren: „Wir sind da, wir setzen uns ein“. So ist auch sie auf die Bewegung aufmerksam geworden und hat entschieden, ein Teil davon zu werden.

Barbara Hundshammer (Mitte) mit den Germeringer Omas for Future auf der G7-Demo. © Ingeborg Köstner

Die Gruppe war zuletzt auf einer großen Demo anlässlich des G7-Gipfels in München unterwegs. Organisiert von einem breiten Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Greenpeace, Oxfam oder WWF, wurde die Demo auch von anderen „for Future“ Gruppierungen, wie den Parents for Future und Fridays for Future unterstützt. Thematisch im Fokus standen nicht nur der Klimaschutz, sondern auch soziale Gerechtigkeit.

„Klimakrise, Artensterben, Ungleichheit: Die G7-Staaten tragen Verantwortung dafür, dass sich die weltweiten sozialen und ökologischen Krisen immer dramatischer zuspitzen. Schluss damit. Gerecht geht anders. Dafür sind wir gemeinsam mit tausenden Menschen am Samstag, den 25.6 in München auf die Straße gegangen. “ (Quelle: Webseite G7-Demo)

Berichtet hat darüber unter anderem die heute-Sendung im ZDF. Barbara Hundshammer kommt auch darin vor (ab 4:45 min).

Omas for Future überregional

Die Regionalgruppe in Germering besteht derzeit aus zwölf Teilnehmenden. Doch deutschlandweit gibt es noch deutlich mehr Engagierte. Was alle vereint, ist das gemeinsame Ziel und das Motto „Handeln aus Liebe zum Leben”.

Gegründet wurde die erste Omas for Future Regionalgruppe von der Leipzigerin Cordula Weimann. Im Gegensatz zu ihren jüngeren Vertretern, den Fridays for Future, wollte sie einen neuen Blickwinkel auf die Thematik schaffen, indem sie auch die ältere Generation mit ins Boot holt. Sie vertritt die Position, dass wir alle zusammen auf dieser Erde leben und gemeinsam für ihren Zustand verantwortlich sind. Deshalb solle das Engagement für den Klimaschutz nicht allein auf den Schultern der jungen Generation lasten.

Mittlerweile hat sich dieser Gedanke in ganz Deutschland, aber auch teilweise über die Landesgrenzen hinaus verbreitet. In rund 70 Regionalgruppen sind zahlreiche „Omas und Opas” engagiert, die sich auf ganz unterschiedliche Art und Weise für den Klimaschutz einsetzen. Die Bezeichnung „Omas und Opas” steht hierbei ganz bewusst in Anführungszeichen, denn Enkelkinder sind keine Voraussetzung, um sich bei den Omas for Future zu engagieren. Das war es nämlich auch, was Barbara Hundshammer anfänglich zweifeln ließ, ob sie überhaupt mitmachen dürfe. Sie hat zwar einen Sohn, doch Enkelkinder seien derzeit nicht in Sicht. Doch es ist vollkommen egal, ob jemand Kinder hat, oder nicht, ob jemand gerade 60 geworden ist, oder bereits über 80, oder ob man schon in Rente ist, oder noch berufstätig – jeder der sich als „Oma oder Opa“ betrachtet, kann dabei sein.

Dabei ist vor allem der Austausch unter den einzelnen Regionalgruppen wichtig. Nicht nur eine gemeinsame Webseite, sondern auch gemeinsame Aktionen vereinen die einzelnen Omas for Future Gruppierungen. Gerade frisch erschienen ist dazu ein übergreifendes Heftchen, angelegt als Klimaquiz. Darin enthalten sind Quizfragen rund um das Thema Klimaschutz, sowie nützliche Tipps und Tricks für den Alltag.

Ein Beispiel für dieses Engagement ist eine große Aktion der Omas for Future aus Regensburg In der Regensburger Innenstadt bauen sie umgeben von überfüllten Eisdielen ihren Stand auf. Bei hitzigen 30 Grad konkurrieren die Omas mit einigen anderen ortsansässigen Klimaorganisationen. Doch das, was die Omas for Future aufgebaut hatten, sticht direkt ins Auge: Fünf große, bunte, selbstgebastelte Behälter aus Pappe, alle mit einer anderen Beschriftung: Recylinghof, Glascontainer, Bio Tonne, Restmüll und Papier & Pappe. Der erste interessierte Passant inspiziert den Stand schon, während Gruppenleiterin Barbara Wabra mit ihrer Mitstreiterin Sonja Meindel noch mitten im Auspacken des Infomaterials steckt. Was es denn damit auf sich hat, will er wissen. Ein Mülltrennspiel. In stundenlanger Bastelarbeit haben die Omas einzelne Gegenstände auf kleine Holzstäbchen geschrieben, die nun dem entsprechenden „Mülleimer“ zugeordnet werden sollen. Ziel ist die richtige Zuordnung – gar nicht so einfach für einen Passanten namens Gerd. Falsche Entscheidungen stellt Sonja Meindel direkt richtig, gefolgt von einer Erklärung, warum richtige Mülltrennung so zentral für den Schutz unserer Umwelt ist. „Es ist wichtig, nicht mit dem Zeigefinger auf die Leute zu zeigen und zu sagen: Du machst etwas falsch”, so Sonja Meindel. Es würde vielmehr darum gehen, die Menschen zu informieren und weiterzubilden, denn oftmals herrscht beim Thema Klimaschutz in unserer Gesellschaft noch recht viel Ahnungslosigkeit. „Wir wollen es besser machen, besser als unsere Eltern, die ja einfach vieles nicht gewusst haben”, meint Sonja Meindel. Genau das sei ihr Antrieb.

In der Zwischenzeit hat Gerd seinen kleinen Plausch mit ihr beendet und noch ein Klimaquiz-Heftchen mitgenommen. Die beiden Omas freut das sehr. „Es ist immer schön zu sehen, wenn wir mit unseren Aktionen bei den Menschen etwas erreichen können“. Gerd kann dies nur bestätigen: „Ich habe viel gelernt, was ich noch nicht gewusst habe. Da kann man sicherlich was in den Alltag mitnehmen“.

Klimaschutz als Generationenthema?

Dass der Klimaschutz durch Greta Thunberg und Fridays for Future als Thema einer jungen Bewegung gilt, ist in unserer Gesellschaft aktuell verankert. Aber dem wollen die Omas for Future entgegenwirken. „Während die Jungen mit ihren Aktionen eher provozieren, wollen wir lieber durch praktische Sachen etwas erreichen”, schildert Sonja Meindel. Sie ist ebenso der Meinung, dass Dinge ernster wirken, wenn ältere Menschen dabei sind. Deswegen sei es so wichtig, sich beim Klimaschutz über die Generationen hinweg zusammenzutun, um besagte Aufmerksamkeit zu erlangen und handeln zu können.

Dies kann Sophia Weigert von den Fridays for Future Regensburg nur bestätigen. Entgegen der gängigen Vorwürfe „die alten Menschen sind an allem schuld“, ist sie stattdessen für ein gemeinsames Entgegenwirken. „Ich finde es schön, dass die Omas und wir Hand in Hand arbeiten und Aktionen zusammen umsetzen“. Neben gemeinsamen Mahnwachen, einem Klimacamp oder der Unterstützung auf Demos, erarbeiten Fridays und Omas for Future zum Beispiel einen gemeinsamen Forderungskatalog zum Klimaschutz an die Stadt Regensburg.

Sophia von Fridays for Future Regensburg (Bild eins) und Fridays for Future München auf ihren Aktionen. © Sabine Franzl (Bild eins) / FFF München

Hoffnung durch Handeln

„Zusammen etwas bewirken zu wollen, das macht uns Hoffnung”, so Sonja Meindel. „Uns ist klar, dass wir mit unserem Engagement nicht die Welt retten werden, aber wenn jeder sich einbringt, Farbe bekennt, egal wie unterschiedlich, dann zählt der gemeinsame Gedanke.”

Barbara Hundshammer aus Germering hingegen blickt aus einer anderen Perspektive auf die Thematik. „Ich engagiere mich bei den Omas for Future, weil ich denke, dass Hoffnung nur durch Handeln entstehen kann”, erklärt sie. Ihr großes Vorbild für diese Denkweise ist dabei die amerikanische Umweltaktivistin, Autorin und Wissenschaftlerin Joanna Macy. In ihrem Buch „Active Hope” schreibt sie: „Hope is a killer”. Barbara Hundshammer bezieht dies auf das Engagement für den Klimaschutz: „Wenn alle nur hoffen und keiner etwas tut, wie soll sich dann etwas verändern?”. Ihre Philosophie ist deshalb: Hoffnung allein reicht nicht, Handeln ist gefragt.

Nicht nur die Omas for Future sind diejenigen, die Handeln und sich so für eine bessere Zukunft einsetzen, sondern auch die Omas gegen Rechts. Sie sind ebenfalls eine Gruppe älterer Menschen, die mit ihrem Engagement für den Gedanken an eine bessere Welt kämpfen.

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Die Omas gegen Rechts unterstützen regelmäßig Demos oder andere Aktionen. Am 22. Juli waren sie deshalb auf einem Trauermarsch zum Gedenken der Opfer des OEZ-Anschlags in München unterwegs.

Besonders in Zeiten wie diesen, geprägt von einer Pandemie, die bei vielen eher Hoffnungslosigkeit ausgelöst hat, sehen sowohl die Frauen von den Omas for Future aus Regensburg als auch Barbara Hundshammer in ihrer Bewegung einen Zusammenhalt, eine gemeinsame Leidenschaft, die wieder Motivation in ihnen auslöst. „Wir haben ja Zeit und wir können anpacken“, so Sonja Meindel. „Und wenn man da zusammen etwas Gutes tun kann, dann motiviert das gleich noch viel mehr.“ Wahrscheinlich war es diese Motivation, die Barbara Wabra und Sonja Meindel an jenem Tag bei 30 Grad Celsius im Schatten an ihrem Stand in Regensburg ausharren ließ. Denn das hat auch schon Barbara Hundshammer deutlich gemacht: Wenn man für eine Sache brennt, dann gibt man nicht so einfach auf – auch wenn es nur die kleinen Dinge sind. „Es kommt gar nicht darauf an, wer am klimaneutralsten lebt. Das ist kein Wettbewerb“, so Hundshammer. „Es kommt darauf an, dass man sich des Klimawandels bewusst ist und den ersten Schritt macht.“

Auf die Frage, ob Barbara Wabra oder Sonja Meindel vielleicht Enkelkinder hätten, die sich auch bei den Fridays for Future engagieren, müssen beide nur lachen. „Die sind doch noch viel zu klein!”, so Sonja Meindel. Die älteste Enkelin von Barbara Wabra würde jedoch schon fragen, was die Oma da so treibt. „Genau das ist auch meine Motivation”, so Wabra. „Ich möchte meinen Enkeln Rede und Antwort stehen können, ihnen erklären, wie wichtig der Klimaschutz ist und selbst informiert sein und sagen können, ich mach was dagegen.”