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2013 – der letzte große Warnschuss für den Hochwasserschutz in und um Passau. Ein Jahrhunderthochwasser, das seine Spuren hinterlassen hat. Nicht nur im Stadtbild, sondern auch in den Köpfen der Leute. Doch streng genommen ist der Ausdruck Jahrhunderthochwasser untertrieben. Durch verschiedene Umweltfaktoren ist in Zukunft mit einem sogenannten Jahrhunderthochwasser nicht nur einmal, sondern mehrmals in 100 Jahren zu rechnen. Für die Politik heißt das, es muss schnell gehandelt werden. Christian Flisek ist SPD-Landtagsabgeordneter und Passauer Stadtrat. Er hat die Hochwasser-Katastrophe 2013 miterlebt.

Man war sich damals einig, dass man einen Mix aus verschiedenen Maßnahmen braucht. Zum einen bauliche Maßnahmen in den unmittelbar betroffenen Städten wie Passau, aber eben zum Beispiel auch gesteuerte Flutpolder gehören dazu. Dieser Mix ist dann finanziert worden. Ich war damals zwischen 2013 und 2017 im deutschen Bundestag. Der Bund hat sehr viel Geld zur Verfügung gestellt, damit dann die Länder, der Freistaat Bayern mit seinen Wasserwirtschaftsämtern und den Kommunen diese Maßnahmen umsetzen können.

Christian Flisek, SPD

Mehrere Milliarden Euro wurden nach 2013 für den Wiederaufbau und für Schutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Die Umsetzung erfolgt jedoch nicht von heute auf morgen. Die Maßnahmen erfordern eine Planungsphase, in die unter anderem auch die betroffenen Anwohner miteinbezogen werden müssen. Nicht immer einfach für die Politik.

Und in diesem Prozess stecken wir mittendrin. Wir haben einige Maßnahmen innerhalb der Stadt Fürstenweg, Hacklberg bereits fertiggestellt. Wir haben andere Maßnahmen zusammen mit den Bürgern geplant. Haben dann auch festgestellt, dass dort auch Widerstand war, zum Beispiel im Stadtteil Hals. Und man ist dann zu dem Ergebnis auch in Hals gekommen, dass man diese Planungen nicht weiterverfolgen will, weil die Mehrheit der Bürger dort gesagt haben Nein so wollen wir es nicht. Wir wollen nicht auf eine Mauer schauen, wir wollen den Blick auf den Fluss nicht verlieren und wir nehmen dafür die Gefahren des Hochwassers in Kauf.

Christian Flisek, SPD

Im Stadtteil Hals wurde es abgelehnt, eine Mauer zum Schutz vor Hochwasser zu bauen. An anderen Stellen in Passau ist ein Hochwasserschutz noch geplant oder schon umgesetzt. In Lindau wird in diesem Jahr eine Schutzmauer gebaut, die die an der Donau liegende Zahnradfabrik und das anliegende Gewerbegebiet vorm Wasser schützen soll. Auch am Inn wird über eine solche Mauer diskutiert. Stefanie Auer, Stadträtin und Fraktionsvorsitzende der Grünen in Passau spricht sich kritisch dagegen aus:

Das ist das eine, dass ich mich fragen muss, wo ist es sinnvoll, einen Hochwasserschutz zu errichten. Wir sagen hier ist definitiv der falsche Platz, um eine Mauer zu bauen, das würde zu wenige Leute schützen. Aber natürlich werden wir Passau nie dicht kriegen in Anführungszeichen wir werden auch immer davon abhängig sein, was unsere Oberlieger machen und da ist natürlich das Thema Polder das, was uns bewegt aber wo wir als Stadtrat nur einen begrenzten Einfluss haben.

Stefanie Auer, B90/Die Grünen

Das Thema Flutpolder an der Donau war die letzten Jahre umstritten. Die großflächigen Rückhalteräume geben den Flüssen bei starkem Hochwasser mehr Raum, um sich auszubreiten. Somit soll das Wasser donauaufwärts abgefangen werden, bevor es auf Ortschaften wie Passau trifft. Auf Landesebene wurden die Polder stark diskutiert: Während Bayerns Umweltminister Glauber eher für die Polder plädiert hat, stellte sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger dagegen. Karl Haberzettl vom Bund Naturschutz sieht Polder und Mauern kritisch, aber bemängelt auch die Unentschlossenheit der Landespolitik bezüglich der Polder.

Sie werden nicht die Lösung sein, aber ich möchte sie auch nicht grundsätzlich schlecht reden, weil sie dem Wasser wieder mehr Raum geben. Wir vom Bund Naturschutz meinen mehr Raum, der dann auch immer da ist. Entweder mit Wasser oder ohne Wasser, mit viel Wasser oder mit wenig wasser. Dann hat auch die gesamte Natur wieder etwas davon. (…) Da bedarf es auch noch eines großen Umdenkens in der Politik.

Karl Haberzettl, Bund Naturschutz

Mit Raum, der immer da ist, meint Karl Haberzettl vor allem, dass Wasser in der Fläche abgefangen werden muss, bevor es überhaupt in die Flüsse gelangt. Dies schaffe man nicht mit technischem Hochwasserschutz wie Mauern oder Flutpoldern. Der Bund Naturschutz plädiert dafür, dass mehr Fokus auf dezentralen Hochwasserschutz gelegt wird. Ein Ansatz dafür ist, die Bebauung von Flächen einzudämmen. Hier werde viel zu oft weggeschaut, meint Haberzettl.

Wo Überschwemmungsgebiet ist, wo der Mensch heute weiß, wo er es auch festgelegt hat, kann keine Straße, kein Weg und auch kein Haus, und darf es auch nicht, gebaut werden.

Karl Haberzettl, Bund Naturschutz

Flächenversiegelung stellt ein großes Problem für das Absickern von Wasser dar. Je mehr Wohn- und Gewerbegebiete, je mehr Parkplätze und Straßen, desto weniger Wasser kann im Boden versickern. Stattdessen wird es direkt in die Bäche und Flüsse geleitet. Auch Stadtrat Christian Flisek sieht hier Handlungsbedarf.

Innen vor außen: Wir wollen eine Innenentwicklung fördern bevor wir einen Neubau fördern. Das sind sinnvolle Dinge, die müssen nur Konsequent umgesetzt werden. Im Feuerwehrbereich ist es nicht so. Sie kriegen als Gemeinde wenn sie eine Feuerwache auf der grünen Wiese neu bauen, dann kriegen Sie förderung, wenn sie ein altes Gebäude sanieren, kriegen sie Null Förderung. Das heißt es ist ein Beispiel dafür dass wir auch die Anreize für die Kommunen richtig setzen müssen. Und da hat die Politik noch einiges zu tun.

Christian Flisek, SPD

Ein Blick über die Grenzen der Stadt Passau hinaus: Rund 44% der Fläche Bayerns wird landwirtschaftlich genutzt. Etwa zwei Drittel dieser Fläche werden mit Ackerland bewirtschaftet. Auch die Landwirtschaft trägt einen großen Teil dazu bei, wenn es um die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens geht. Auffällig ist: Ein erstaunlich hoher Anteil der niederbayerischen Äcker wird mit hochwasserfördernden Pflanzen bebaut. Karl Haberzettl erklärt:

Heute haben wir rundum Hackfrüchte. Hackfrüchte nennt man Mais, Kartoffeln, Rüben etc, aber keine Getreidefelder. Alles Flächen, die schnellstmöglich Wasser von A nach B ableiten und dann noch verschlammen und dann eben mehr oder weniger der Maisacker wie man es jetzt heute tagtäglich in der Zeitung liest, ins Wohnzimmer bringen. Ich bin der Meinung, der Maisacker hat im Wohnzimmer nichts verloren.

Karl Haberzettl, Bund Naturschutz

Hötzendorf bei Dingolfing. Alois Aigner betreibt ökologische Landwirtschaft und hat mit den unmittelbaren Folgen des Anbaus zu kämpfen. Dadurch, dass die sogenannten Hackfrüchte erst spät austreiben, prallt der Regen direkt auf den Boden und sorgt für Verschlammung. Das Wasser wird dann nicht mehr vom Boden aufgenommen, sondern landet in Gräben und Bächen. Anders bei Getreide. Das Wasser wird hier zunächst von den Pflanzen abgefangen und kann dann langsam im Boden absickern. Das Problem: Auch Landwirte müssen wirtschaftlich denken. Mais bringt im Gegensatz zu Getreide einen viel höheren Umsatz. Für viele Bauern eine finanzielle Zwickmühle.

Die Landwirtschaft ist in eine Richtung gezwungen worden, immer größer zu werden. Das heißt größere Betriebe, größere Flächeneinheiten, größere Schlaglängen, mehr Laufwege fürs Wasser um in Schwung zu kommen und die Erosion auszulösen. Da hat sich die letzten Jahr nichts verbessert, eher verschlechtert.

Alois Aigner

Landwirt Aigner wünscht sich in Sachen Hochwasserschutz mehr Auflagen, auch für Landwirte. Momentan liegt es in deren Eigenverantwortung, wie die Flächen bewirtschaftet werden. Gerade im Gemüsebau sei keine Absprache zwischen Grundstücksbesitzern vorgeschrieben, meint Aigner. Er fordert mehr Vorgaben und Hilfestellung für die Landwirtschaft – auch finanziell, damit ein bodenschonender Anbau möglich wird. Er versteht aber auch, dass Investitionen in technischen Hochwasserschutz gleichzeitig nötig sind.

Das Problem ist: Für einen Flutpolder gibts eine Einweihungsfeier. Da kann der Politiker sich hinstellen und sagen: Wir haben was da, das ist ein sehr konkretes Projekt. (…) Wenn man heute die Wasseraufnahmefähigkeit der Böden durch bessere Bewirtschaftung, durch verzicht auf Chemikalien erhöht, dann steht das nirgends. Man kann das nicht so beschreiben dass man sagt: Da ist jetzt was. Das ist eine sehr abstrakte Art und Weise des Hochwasserschutzes und sicher viel schwieriger zu kommunizieren wie ein Flutpolder, wie die Erhöhung einer Staumauer.

Alois Aigner

Zurück in Passau. Der Passauer Stadtrat hat nur begrenzte Möglichkeiten, auf alle Aspekte des Hochwasserschutzes einzugehen. Wichtig ist, dass sowohl auf Landesebene, als auch in den einzelnen Kommunen das große Ganze gesehen wird. Für Stefanie Auer steht jedoch fest: Es muss mehr passieren. Sie hat klare Vorstellungen für die Zukunft in Sachen Hochwasserschutz:

Mehr Geschwindigkeit bei den Sachen, die man schon angestoßen hat. Sowas eben wie das Thema Flutpolder aber auch dezentraler Hochwasserschutz, dass es da mehr Bewegt und jetzt erst nicht wieder das nächste Hochwasser kommen muss, bevor man wieder aufs Gaspedal drückt und das ist meine Sorge, dass da schon wieder so Hochwasserdemenz eingetreten ist, dass da schon wieder so lange her ist und man bisschen vom Gas gegangen ist. (…) natürlich ist man da jetzt noch in einem Prozess und da ist eher mein Kritikpunkt, dass man den prozess in den letzten Jahren verschlafen hat, das war 2013 ein Hochwasser das in Erinnerung geblieben ist und vor allem in Passau uns sehr gravierend geprägt hat, jetzt haben wir 2021 und jetzt sagt man wieder ich hab jetzt eine Studie die mach ich mal öffentlich und dann diskutiere ich erst und das ist mir zu spät.

Stefanie Auer, B90/Die Grünen

In einem sind sich alle einig: Es muss schneller gehandelt werden. Nicht nur zentral an den Flüssen, sondern auch in der Fläche. Papier ist geduldig, Wasser jedoch nicht.

von Maria Schulz