Einen Spielzeugladen auf dem Dorf erfolgreich zu führen, das schafft Annemarie Dettendorfer jeden Tag. Zusammen mit ihrem dreiköpfigen Team kümmert sie sich immer um die Kunden und trotzt der wachsenden Konkurrenz durch den online Handel.

Von Sophie Mischner

 

Ein typisches bayerisches 1000-Einwohner Dorf, mit Autobahnidylle und Kuhstall-Geruch, inmitten des Inntals. Hier laufen einem beim Durchfahren Hühner vors Auto und an jeder Ecke grüßt man einander. Ein bunter Wegweiser mit der Aufschrift „Amedi Spiele“ empfängt einen sofort, wenn man von der Hauptstraße in den kleinen Ort Reischenhart einbiegt. Folgt man diesem, fährt an einem Bauernhof und Wohnhäusern vorbei, landet man hinter der Kirche vor dem kleinen Spielzeugladen. Unscheinbar in einem Innenhof liegt das Geschäft – wüsste man nicht, dass es dort ist, würde es trotz seinen gelben Wänden und der grünen Elefanten-Wandmalerei nicht auffallen.

Wo der Holzboden knarzt und das Kaminfeuer brennt

„Ich habe irgendwann einfach realisiert, dass ich vermutlich keine Kinder haben werde, aber ganz gerne Kinder in meinem Leben haben würde. Das war sicher ein Grund dafür, dass ich so einen Spielzeugladen haben wollte“, sagt Ladeninhaberin Annemarie Dettendorfer selbst über die Gründung ihres Geschäfts. Der Laden ist nun schon seit über 15 Jahren eine Anlaufstelle für jeden, der Spielzeug möchte. Er muss ein Stück weit besonders sein, da er sich so lange halten konnte.

Laut der Chefin selbst liegt es an den Menschen, also ihrem Team und ihr, aber auch an dem Ambiente. Ein knarzender Holzboden und im Winter brennt ein Kamin: „Das ist so etwas Besonderes, was man sonst nirgends findet.“ Auch das Angebot weist Produkte auf, die man nicht überall findet, z.B. Kinderwerkzeug. Die Regale allein machen den Laden besonders, sie sind alle aus Holz, wodurch der Laden noch gemütlicher wird. Gegenüber dem Laden liegt die Schreinerei von Annemarie Dettendorfers Mann. Dort findet die Fantasiewerkstatt statt und Kindergeburtstage werden veranstaltet, was das Konzept des Ladens und das Drumherum nochmals außergewöhnlich macht. „Das war immer etwas, was mir besonders am Herz gelegen ist, dass die Kinder einfach selbst was machen können, selbst gestalten können.“ Denn das können sie in den verschiedensten Kursen, wie z.B. beim Schnitzen und Drechseln, die Amedi Spiele anbietet.

Von Innen ist der Laden gut bestückt. Jeder freie Platz wird genutzt in dem kleinen 60m2 Geschäft. Die Regale und Tische sind voll mit Spielwaren, Büchern, Kreativ-/ Bastelsets und vielem mehr, bei dem die Kinderaugen groß werden. Das kann für manche Eltern aber auch schnell zum Albtraum werden: „Ich will das aber haben Mama“. “In solchen Situationen bin ich immer froh, dass meine Tochter aus dem Alter draußen ist.“ erzählt die Angestellte Steffi lachend.

Sie selbst ist nun schon seit über 15 Jahren Teil des Teams und beschreibt das Einkaufen bei Amedi Spiele so: „Vieles findet man bei uns nicht gleich auf Anhieb, aber dafür entdeckt man beim Suchen viel Neues und geht am Ende oft mit mehr nach Hause als gedacht. Das ist das Besondere. Nicht alles ist so clean in den Regalen wie bei Müller oder Galeria Kaufhof, sondern gemütlich, heimelig“. Dieses System hat allerdings auch seine Tücken, wenn die neuen Bücher in die noch vollen Regale sollen. Steffi steht vor einem hellbraunen Holzregal, in ihren Händen ein Display voller Neuheiten. Verzweifelt sucht sie einen Platz für den mit Büchern gefüllten Papieraufsteller. Nach längerem Verschieben der schon im Regal stehenden Bücher findet sie endlich einen Platz und kann die neue Ware platzieren.

Mit vielen Ideen der Online-Konkurrenz trotzen

In der heutigen Zeit, wo alles digitaler wird, bieten solche schönen Läden noch ein Einkauferlebnis im Gegensatz zur online Konkurrenz. Zurzeit ist der stationäre Einzelhandel bei den Kunden noch beliebter als der Onlinemarkt, doch laut Markus Greber, Bereichsleiter für Standortpolitik der IHK Aschaffenburg, wird „der normale Handel dem online Handel irgendwann unterlegen sein, aber das wird nicht in den nächsten 5 Jahren passieren“. Nach Markus Grebners Expertise haben wir für einen reinen online Einzelhandel auch nicht die passenden Strukturen, denn „das wird nicht alles nur bestellt, dass muss auch irgendwie ankommen“. Aber trotzdem müssen die kleinen Unternehmen sich etwas einfallen lassen, um mit ihrer Konkurrenz mithalten zu können. „Ein Handel, der seit 50 Jahren das Gleiche macht und nicht eine spezielle Nische bedient, muss innovativ sein.“ merkt Markus Grebner an.

So besonders wie der Laden jetzt ist, so besonders war auch der Start. „Ich habe alles ausprobiert“, erzählt Annemarie Dettendorfer. Um den Laden bekannt zu machen, hat sie sogar einen Weltrekord aufgestellt. Jongleur Stephan Ehlers hat bei Amedi Spiele 25 Kindern innerhalb von 22 min beigebracht mit 3 Bällen zu jonglieren. Die darauffolgende Aufmerksamkeit der Presse kam dem Laden zugute. „Ich habe mir immer Wege ausgedacht, wie über den Laden berichtet wird, ohne dass ich für die Werbung etwas zahlen muss.“ Durch diese Ausdauer und Willenskraft hat Annemarie Dettendorfer es geschafft, ihren Traum vom einem eigenen Spielzeugladen zu festigen.

Diese Ambition und diese Willenskraft spiegeln sich auch heute im Laden wider. Annemarie Dettendorfer und ihr Team legen Wert darauf, was für die Kundschaft wichtig ist: das richtige Sortiment anbieten, das Sortiment dem Kunden erklären können. „Ich muss es dem Kunden leicht machen, dass er einfach gern zu uns kommt. Dafür muss man sich anstrengen und nachdenken und sich selbst auf die Seite von der Kundschaft stellen“ sagt Annemarie Dettendorfer. „Hallo Servus, kann ich helfen oder finden Sie sich zurecht?“ Steffi begrüßt die Kunden, die gerade den Laden betreten haben. „Ja das wäre sehr hilfreich. Ich bin auf der Suche nach einem Geschenk für meine 3-jährige Enkelin, die hat nämlich morgen Geburtstag“. Mitarbeiterin Steffi ist sofort behilflich und zeigt der Kundin verschiedenste Produkte: Spiele für Einsteiger von Haba, Sandspielzeug in Form eines pinken Prinzessinnen-Eimers mit Schäufelchen und ein Mit-Mach-Bilderbuch. Auch wenn ein Kunde Bedenken hat oder Fragen zu einem Produkt, kümmert sich das Team von Amedi Spiele darum, die geforderten Antworten zu finden. „Ja, hallo ich bin von Amedi Spiele Reischenhart und wollte bei Ihnen etwas nachfragen, da eine Kundin Bedenken zu einem Produkt von Ihnen hat. Und zwar hat die Kundin gehört, dass in ihrer Straßenkreide Weichmacher enthalten sein soll.“ Steffi ruft beim Hersteller an, um den Sorgen einer Kundin nachzugehen.

Hier kann man vorher anschauen, was man kauft

Doch der Laden kämpft auch mit Problemen. Die Corona Pandemie ist hier nicht spurlos vorbeigegangen. „Der erste Lockdown hat mich kalt erwischt“ sagt Annemarie Dettendorfer. Die Planungsunsicherheit machte dem Laden 2020 zu schaffen, jedoch konnte sich in 2021 schon besser darauf eingestellt werden. „Das Wichtigste war, dass der Kontakt mit den Kunden nicht abreißt. Wir haben viel Aufwand betrieben und mein Team hat das gut gemanaged.“ Durch viel Engagement auf Social Media und Einfallsreichtum hat Amedi Spiele auch die bisherige Corona Pandemie überlebt. „Wir haben die Kunden per Telefon beraten und auch über WhatsApp mit ihnen kommuniziert. Die Bestellungen haben wir dann ausgeliefert oder man konnte sie abholen, dafür haben wir extra Spinde anfertigen lassen. Wegen der Konkurrenz von Amazon mussten wir uns viel einfallen lassen, damit die Kunden weiterhin zu uns kommen.“ berichtet Steffi.

Mit den Tücken der Pandemie weiß man jetzt besser umzugehen, nur ein Problem bleibt bestehen, die Konkurrenz aus dem Internet. „Vor allem in der Weihnachtszeit bekommt man die Konkurrenz zu spüren. Der Internethandel wie „das böse A“, wie ich Amazon gerne nenne, kann einfach viel schneller liefern, als wir es überhaupt von unseren Händlern bekommen. Außerdem kommt noch hinzu, dass es deutlich günstiger angeboten wird, manchmal sogar zu Preisen, die geringer sind als unser Einkaufspreis “ klagt Steffi. Durch einige Stammkunden, die Wert darauf legen, den Einzelhandel zu unterstützen und nicht alles über das Internet bestellen, schafft es Amedi Spiele trotz wachsender Konkurrenz online, immer noch im Geschäft zu bleiben. „Wir haben das Glück, dass viele Eltern hier auf dem Land es zu schätzen wissen, dass die Kinder im Laden alles anschauen können und es vor Ort sehen und nicht nur ein Bild davon im Internet“. „Im Grunde ist es ja ganz leicht, mit einem Mausklick hat man alles zu Hause. Wenn die Kunden dann trotzdem zu uns kommen, ist das eine Auszeichnung!“ merkt Annemarie Dettendorfer noch an.

Werden solche besonderen Läden überleben?

Dieses Glück hat nicht jeder Einzelhandel. Der Internethandel zieht eine immer größere Kundschaft an. 2020 wurden 51% der Spielwaren in Deutschland online bestellt, für 2021 wurde ein Zuwachs auf 58% vorhergesagt. Die Internetgiganten wie Amazon, Ebay, etc. wachsen also immer weiter und verdrängen durch schnelle Lieferung und billige Preise immer mehr den Einzelhandel und vor allem kleine, besondere Geschäfte wie Amedi Spiele. Diesem Problem gilt es sich entgegenzustellen, ansonsten werden solche besonderen Läden, bei denen jeder Besuch ein Erlebnis ist, nicht überleben und aussterben.

Um heutzutage noch konkurrenzfähig zu sein, ist es laut Markus Greber für jeden Einzelhandel wichtig, online präsent zu sein, „denn wenn man das nicht ist, existiert man nicht mehr bei den Leuten“. Seiner Meinung nach ist ein Shop nicht unbedingt nötig, aber zumindest sollten bei Google die Öffnungszeiten, Telefonnummer und Webseite hinterlegt sein, „das sollte bzw. muss man einfach machen, um sichtbar zu sein.“ Annemarie Dettendorfer und ihre Kollegin Susi Franz haben auch schon per Video dazu aufgerufen vor Ort einzukaufen, also den Einzelhandel zu unterstützen und nicht alles online zu kaufen. Durch solche Aktionen versucht der Einzelhandel seiner Konkurrenz aus dem Internet die Stirn zu bieten.