Wenn Wiesen zu Wüsten werden – Wie Landwirte, Meteorologen und Waldbesitzer die Hitze bewältigen

Die Macht der Natur: Auch hierzulande macht sich die Erderwärmung immer stärker bemerkbar. Im Gespräch mit Betroffenen und Expert*innen aus der Region gehen wir der Dürre auf den Grund!

von Michelle Ruhstorfer und Tim Trippl

„Beherrschen kann man die Natur nicht! Wir richten uns nur alles so, wie wir es brauchen. Aber beherrschen tun wir da gar nichts“, betont Alois Aigner, Landwirt und Vorsitzender der Kreisgruppe Dingolfing des BUND Naturschutz. Der trockene Boden staubt auf, als der Biobauer mit seinem Traktor am Mittwochabend in den Hof fährt. Mit Latzhose und kurzärmligen, karierten Hemd kommt er von der Hofarbeit zurück. Nach der Feldarbeit am heißen Nachmittag gönnt Aigner sich erst einmal eine kurze Pause auf der Terrasse. Der Tag war bereits schwer – vor Fronleichnam herrschte vor allem im Hofladen viel Betrieb und Aigner hatte einiges zu erledigen. „Der Hof ist von meinen Eltern. Ich habe ihn quasi übernommen. In der Landwirtschaft erbt man ja nicht, da gibt es eine Betriebsübergabe“, erklärt der gelernte Funkelektroniker. Am Hof habe er schon immer viel mitgeholfen, sei es auf dem Feld oder auch bei Holzarbeiten. Insgesamt bewirtschaftet Aigner einen 16 Hektar großen Ackerbaubetrieb mit Direktvermarktung. Den größten Teil dieser Fläche macht Getreide aus. Hinzu kommen ein Hektar Gemüseanbau mit Sorten wie beispielsweise Zucchinis, ein weiterer Hektar mit Kartoffeln und auch ein kleiner Baumbestand zur Energieversorgung des Hofes. Wichtig ist ihm vor allem der Fokus auf die ökologische Landwirtschaft. Stolz lächelt der Bauer, als er über das umweltschonende Agrarwesen spricht, das er betreibt.: „Wenn man das gesamt rechnet, was an Schäden entsteht und was an Nutzen rauskommt, dann ist die ökologische Landwirtschaft wesentlich die Bessere. Man hat zwar nicht so hohe Erträge, aber man hat auch nicht diesen extremen Aufwand, gerade was den Energieaufwand in der Düngererzeugung betrifft.“

Landwirt Alois Aigner (Foto: Tim Trippl)

Eine große Rolle spielt in der Landwirtschaft aber auch das Wetter. „Man ist in der Landwirtschaft immer angepasst an die Natur. Wann man erntet, wann man sät, wann man beregnen muss, wann man Bodenbearbeitung macht – das alles ist letztlich extrem gekoppelt an die Natur“, erzählt der Biobauer und blickt dabei zu den Feldern hinüber, die hinter dem Hof zu sehen sind. Besonders die hohen Temperaturen und die Trockenheit im Sommer schätzt Alois Aigner als große Gefahr im Agrarwesen ein. Denn viele Getreide- und Gemüsesorten wie Salat, Gurken oder Mais kann man dann nicht mehr so einfach anbauen. Auch Ernteschäden und -einbußen sind etwas, womit man rechnen muss. Er spricht Technologien an, die ihm in Bezug auf die Natur helfen können. Hierbei lobt er vor allem eine Sache: die mittlerweile sehr genauen Wettervorhersagen.

Eine große Hilfe für die Landwirtschaft: die Agrarmeteorologie

Solche Vorhersagen treffen Agraringenieur*innen wie Stephan Weigand. Er ist in der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, kurz LfL, für die Agrarmeteorologie zuständig. Daneben zählen auch bayernweite, amtliche Pflanzenschutz-Warndienstprogramme und Fachangelegenheiten rund um Getreidekrankheiten zu Weigands Aufgabenprofil. Weigand erreicht ein Anruf: der Agrarmeteorologe soll zum Eingang kommen und die Tür öffnen. Der Agraringenieur schiebt seine Brille hoch, ehe er sich auf den Weg zur Eingangstür macht. Das Gebäude, in dem er arbeitet, darf man nur betreten, wenn man explizit dazu berechtigt ist – denn es ist aus phytosanitären, also die Gesundheit der Pflanzen betreffenden, Gründen verschlossen. Pflanzenschutz ist hier sehr wichtig, denn die Forschungsarbeit der LfL muss so gut wie möglich ungestört bleiben. Deshalb müssen sich alle Besucher*innen rechtzeitig ankündigen, um Zutritt zu bekommen. Verschiedene Tests in Laboren sind Grund dafür. Unter anderem wird hier der Einfluss des Wetters auf Schädlinge getestet. Beim Blick aus dem verglasten Treppenhaus sind die unzähligen Gewächshäuser auf dem weitläufigen Gelände zu sehen. Weigand beschäftigt sich mit einigen Aufgaben an der LfL, darunter die vielen Agrar-Wetterstationen im Freistaat: „Wir betreuen ein großes Messnetz in ganz Bayern. Wir haben rund 140 Wetterstationen, die im 10-Minuten-Takt alle wichtigen Parameter – von der Bodentemperatur bis hin zur Feuchte – liefern.“ Für die Landwirtschaft werden auch Monitoring-Programme durchgeführt. Das geschieht mit Hilfe von Untersuchungsfeldern, die von der LfL überwacht werden. Wenn sich dort Auffälligkeiten bemerkbar machen, werden die Landwirte dann vor Schädlingen und anderen Krankheitserregern rechtzeitig gewarnt. Die Wetterinformationen und sonstige Daten des Monitorings werden hierbei gekoppelt im Internet zur Verfügung gestellt. Aber auch Prognose-Modelle, die den Landwirten beim Blick in die Zukunft helfen können, erstellt Stephan Weigand mit seinem Team.

Agraringenieur Stephan Weigand (Foto: Tim Trippl)

Einen wichtigen Aspekt seines Berufs stellen zudem Tests unter kontrollierten Bedingungen dar. So spricht der Agrarmeteorologe davon, hier bestimmte Erreger zu beobachten. Das geschieht zum Beispiel in Klimakammern, wo man „das Wetter ganz definiert einstellen kann“. Man experimentiert hier mit besonders hohen und niedrigen Temperaturen, unterschiedlichen Luftfeuchten und vielem mehr. In diesem Sinne gibt es auch Kontrollfelder, die in ganz Bayern verteilt sind und die man regelmäßig überprüft. Ziel dieser Tests ist es, Bauern wie Alois Aigner eine Art Frühwarnsystem liefern zu können, damit sie auf Gefahren rechtzeitig vorbereitet sind. Denn gerade bei hohen Temperaturen und Trockenheit können sich neue Schädlinge ansiedeln, die man hier bisher noch nicht kannte. „Jedes Wetter hat seine Pilze“, fügt Stephan Weigand hinzu und lacht. Aber laut ihm kann ein solches Wetter auch positive Aspekte mit sich bringen, wie beispielsweise längere Vegetationsperioden mit mehreren aufeinanderfolgenden Anbauten auf einem Feld. Der Agraringenieur erwähnt, wie genau das Monitoring und die bereitgestellten Daten den Landwirten helfen können: Dadurch haben diese nämlich die Möglichkeit, regulierend bei ihren hofeigenen Feldern eingreifen zu können, bevor sie negative Folgen wie Ernteverluste befürchten müssen. Doch auch die Forschung der LfL hat ihre Grenzen: Denn draußen an der frischen Luft lässt sich – im Gegensatz zu den Versuchsflächen im Labor-Innenbereich der LfL – das Wetter nicht beeinflussen. „Draußen haben wir es mit der Natur zu tun, mit dem Boden, mit dem täglichen, aber auch saisonalen Wetter. Und da fängt die Ohnmacht an, weil man natürlich an der Stelle komplett in den Rhythmus der Natur und vor allem der Witterung eingebunden ist”, sagt Weigand und sieht aus dem Fenster. Gerade ist es heiß und sonnig – nicht die schlechtesten Forschungsbedingungen. Die Agrar-Wetterstationen können dabei helfen, sich in dieser Situation ein wenig Macht zu verschaffen. So kann man wenigstens vorhersagen, wie das Wetter in naher Zukunft aussehen wird.

Der Agraringenieur macht sich auf den Weg zu einer solchen Wetterstation, die auf dem Gelände der LfL steht – rund 750 Meter von dem Gebäude entfernt. Die Sonne knallt auf die Felder. Es ist heiß. Fast reife Erdbeeren leuchten auf den Feldern gegenüber der Wetterstation. Heute sind sie für Weigand nicht interessant – stattdessen sieht sich der Agrarmeteorologe die Station, die die Wetterdaten liefert, genau an und überprüft, ob alles einwandfrei funktioniert. Eine solche hochmoderne und komplexe Anlage kostet etwa 10.000 Euro. Allerdings gibt es auch kleinere Modelle, die sich Landwirte für ihre Felder kaufen können. Diese liegen preislich zwischen 200 und 300 Euro. Der Experte betitelt das Messnetz in Bayern zwar als „eines der dichtesten in Europa“, sagt jedoch auch, dass es trotzdem nicht dicht genug ist, wenn es um kleine, heftige Gewitterzellen geht, da diese an den 140 Wetterstationen einfach vorbeilaufen und somit nicht erfasst werden können.

Video: Stephan Weigand erklärt eine Agrar-Wetterstation

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Egal ob Testfelder oder Wetterstationen – all diese Hilfsmittel können die Landwirte dabei unterstützen, in der Gegenwart eingreifen zu können und für die Zukunft gewappnet zu sein. Auch Alois Aigner verlässt sich auf die Daten der Wetterstationen und passt seinen Tagesablauf daran an.

Wie man der Hitze standhalten kann

Alois Aigner sitzt nach wie vor auf seiner Terrasse und sieht zu den weiter entfernten Feldern des Nachbarn hinüber, auf denen gerade Zwiebeln bewässert werden. „Kartoffel- und Gemüseanbau ohne Bewässerung ist eigentlich nicht mehr möglich“, erzählt Alois Aigner fast schon ein wenig frustriert. „Die Landwirte haben begrenzte Möglichkeiten, bei langen Trockenphasen dagegen zu halten, die wir in den letzten Jahren leider immer häufiger hatten“, hebt auch Experte Stephan Weigand hervor. „Bewässerung ist ein riesiges Thema und wird auch zunehmend wichtiger.” Wie viel Wasser jeder Landwirt für seine Agrarflächen nutzen darf, ist vom Wasserwirtschaftsamt genau vorgeschrieben.

Aber auch die Fruchtfolge ist abhängig von der Bewässerung. Wasserliebende Fruchtarten, wie beispielsweise die Ackerbohnen, fallen für Alois Aigner daher automatisch raus. Auch viele Gemüsearten wie Spinat, Salat, Radieschen, Kohlrabi oder Gurken vertragen die Trockenheit nicht besonders gut und eignen sich daher nur noch begrenzt für den Anbau, wenn große Hitze bevorsteht. Möchte man solchen Arten dennoch eine Chance geben, ist dies mit viel Aufwand verbunden. Entsprechende Bewässerungssysteme und genug Schutz vor der Sonne sind hierfür nötig. Ob dies rentabel ist, muss jeder Landwirt selbst für sich entscheiden. „Man schaut auch darauf, dass man Getreidesorten bekommt, die aus dem südeuropäischen Raum stammen und deshalb hohe Temperaturen und weniger Wasser gut verarbeiten können“, erzählt Aigner. Hirse beispielsweise wäre ein guter Ersatz für Mais. Inspiration, was man bei uns anbauen kann, findet er in Afrika, wo Landwirtschaft trotz extremer Dürre seit langem möglich ist. „Gerade beim Gemüse haben wir mittlerweile gefunden, was passt“, betont der Landwirt und verweist auf Arten wie Kohl und Auberginen. Um herauszufinden, was sich bei Trockenheit und Hitze anbauen lässt, experimentiert der Biobauer ständig aufs Neue. Unter anderem baut er nun Soja an, was in der Region bisher nicht allzu verbreitet ist. Diese Pflanze beansprucht verhältnismäßig viel Wärme und kann im Vergleich zu anderen Früchten wie Ackerbohnen oder Winterweizen in der ökologischen Landwirtschaft überdurchschnittliche Deckungsbeiträge erzielen, heißt viel Ertrag für wenig Kosten. Ein solcher Anbau lohnt sich also für den Bauern. Hier besteht mit Blick auf die immer weiter ansteigenden Temperaturen viel Potenzial.

Die Pause ist vorbei. Der Biobauer steht seufzend auf und richtet kurz das blau-weiß karierte Hemd, das in seiner Latzhose steckt. Er geht an ein paar Obstbäumen in seinem Garten vorbei. Aus dem Anhänger, der dort steht, hört man ein lautes Summen – es kommt von den Bienen eines Bekannten, die auf seinem Hof untergekommen sind. Aigner schaut während seines Rundgangs auf dem Hof auch bei seinem Gemüsefeld vorbei, wo unter anderem Zucchinis und Auberginen wachsen. Diese sind unter Planen gut vor zu viel Sonne und Schädlingen geschützt. Der Landwirt wirft einen kurzen Blick darunter, bevor er das Gemüse wieder abdeckt und weitergeht. Grundlegend setzt der Biobauer auf hitzebeständige Sorten, die mit der Trockenheit gut klarkommen. Neben den eben genannten Gemüsearten zählt dazu auch anderes Fruchtgemüse wie Paprika oder Kürbis, Wurzelgemüse wie Möhren und Rüben, Kartoffeln, Zwiebeln und verschiedene Kohlarten wie der Weiß- und Rotkohl.

Video: Alois Aigner erklärt seinen zukunftsorientierten Gemüseanbau

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Der Wald: Ein weiteres Opfer der Dürre

Aber nicht nur auf dem Feld haben die Menschen mit den Einflüssen der Natur zu kämpfen, sondern auch im Wald. Gerade bei langen Trockenphasen herrscht hier akute Waldbrandgefahr. Brennt der Wald einmal, so sind nicht nur die darin lebenden Tiere in Gefahr. Die während den Bränden entstehenden Aerosole sind auch für den Menschen gesundheitsschädlich. Alois Aigner besitzt ein kleines Waldstück und nutzt die daraus gewonnenen Hackschnitzel, um seinen Hof zu heizen. „Waldbrände in Bayern – sowas hat es früher nicht gegeben, sowas war unbekannt. Und heute bestimmt es schon die komplette Forstwirtschaft“, sagt er voller Sorge und verweist dann auf die Kontrollflüge mit kleinen Flugzeugen, die ab Waldbrandstufe 4 von 5 durchgeführt werden. Auch Stephan Weigand spricht den Wald an: Die Daten der Agrar-Wetterstationen werden nämlich unter anderem auch dem Deutschen Wetterdienst zur Verfügung gestellt, der den Waldbrandindex berechnet. Der Experte erwähnt neben der Gefahr des Waldbrandes Schädlinge wie den Borkenkäfer, die im Wald vorkommen und dort massive Schäden hinterlassen können. „Insekten mögen es in der Wärme. Sie können so mehr Generationen bilden und sich leichter und stärker ausbreiten“, erklärt er. Gerade bei länger anhaltenden Trockenperioden befallen Schädlinge besonders viele Bäume.

Steckbrief Borkenkäfer (Foto: Udo Schmidt, CC BY-SA 2.0)

Auch Waldbesitzer sind besorgt, was die Folgen des Klimawandels betrifft. Zu ihnen gehört auch Michael Püls. Er hat in jungen Jahren Forstwirtschaft studiert. Heute ist er in Pension und die fünf Hektar Wald, die er besitzt, sind für ihn eine Art Hobby. In dem kleinen, aber gemütlichen Büro bei sich zu Hause deuten sehr viele Dinge auf seine Leidenschaft hin – von dem ausgestopften Wildschweinkopf bis hin zu den vielen Mappen und Büchern, in denen sich alles um den Wald dreht. Waldbrände sind für ihn eine Sache, die er noch recht entspannt sieht – zumindest, was seine eigenen Waldstücke betrifft. „Als Waldbesitzer schaue ich drauf, dass ich kein offenes Feuer verwende und dass ich Baumarten pflanze, die der Waldbrandgefahr vorbeugen“, erklärt er in einem eher entspannten Ton und lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück.

Als viel größeres Problem sieht er bei den Wäldern die Trockenheit und den damit verbundenen Schädlingsbefall. Manche Bäume eignen sich einfach nicht für den Klimawandel: so hält eine Kiefer zwar die Trockenheit aus, aber die Hitze kann ihr zu schaffen machen. Und Fichten können sich bei Wassermangel nur schlecht gegen den Borkenkäfer wehren. Einige Baumarten kommen mit der Dürre viel besser klar. Waldbesitzer Michael Püls sieht Experimente, Bäume aus aller Welt in Bayern zu pflanzen, kritisch. Denn es gibt auch heimische Bäume, die sich in wärmeren Gegenden bewähren. Die Elsbeere, die Mehlbeere, der Speierling und verschiedene Eichenarten gehören hier hinzu. „Der Waldbesitzer ist Teil der Bevölkerungsgruppe, die am schlimmsten vom Klimawandel betroffen ist“, hebt Michael Püls hervor und begründet dies mit der enormen Arbeit, die nötig ist, um den hohen Temperaturen und der Trockenheit standzuhalten.

Waldbesitzer Michael Püls (Foto: Tim Trippl)

Regelmäßig fährt der Waldbesitzer zu einem seiner Waldstücke, um nach dem Rechten zu sehen. Bereits als er aus dem Auto steigt, sieht er zu seinen Baumbeständen hoch – ein paar Stunden zuvor gab es einen kleinen Regenschauer, bei dem die Bäume endlich wieder einmal Wasser abbekommen haben. Er geht den noch etwas nassen Waldweg entlang. Ein gestufter, artenreicher Waldrand ist ihm wichtig – denn in diesem schmalen Streifen befindet sich der Lebensraum von einigen Tieren wie Hasen oder Fasanen. Als es wieder leicht zu regnen beginnt, geht Püls ein Stück weiter in den etwa 23 Jahre alten Laubwald. Er steht zwischen Buchen und Linden, während er davon spricht, dass im Herbst der nächste Pflegeeingriff in seinem Baumbestand bevorsteht. Püls’ persönliches Anliegen ist, dass die Wiesenfläche in der Mitte seines Waldes als solche erhalten bleibt. Hier grasen ein paar Schafe, deren Besitzer ebenfalls gerade vorbeischaut, um die Tiere zu versorgen. Nachdem er den Elektrozaun, welcher das Territorium der Schafe begrenzt, deaktiviert hat, gehen die Männer zusammen über die Wiese. Sie plaudern ein wenig über das Wohlergehen der Tiere und den lang ersehnten Regen, der die Natur zwischen den heißen Sommertagen wieder mit etwas Wasser versorgt. Das beim letzten Pflegeeingriff liegengebliebene Totholz am Boden geht auf natürliche Weise wieder in den Naturkreislauf zurück und bietet so den vielen holzbewohnenden Tierarten wie verschiedene Insekten einen Lebensraum. Nachdem Püls an einem kleinen Teich neben der Wiese ein Teichhuhn und sein Küken beobachtet hat, macht er sich langsam wieder auf den Weg zu seinem Auto.

Bilderreihe: Hitzebeständige Baumarten

Hopfenbuche (Foto: Robert Flogaus-Faust, CC BY 4.0)

Flaumeiche (Foto: Krzysztof Ziarnek)

Feldahorn (Foto: Wikimedia Commons)

Nicht nur die Hitze sorgt für Probleme

Neben der Trockenheit und den hohen Temperaturen sorgt der Klimawandel noch für weitere Schwierigkeiten. Unerwartete Fluten und Stürme sorgen bei Bauern, Agrarmeteorologien und Waldbesitzern für Sorgenfalten. „Dass die Bodenerosion die Felder nicht wegschwemmt, ist eines der großen ungelösten Probleme der Landwirtschaft”, warnt der Landwirt Alois Aigner. Er berichtet von einer durch plötzliche starke Regenfälle ausgelösten Flut, die dafür sorgte, dass in seinem Dorf mehrere Häuser voller Wasser liefen. An jenem Tag wurde Aigners Hof zwar verschont, dennoch ist er sich darüber im Klaren, dass eine Überflutung bei seinen Feldern enorme Folgen mit sich gebracht hätte. Denn auch zu viel Wasser schadet den angebauten Pflanzen – Ernteverluste wären in dieser Situation nur eines von vielen Problemen gewesen.

Beim Thema Flut erinnert sich auch Stephan Weigand an einen am Tag zuvor geschehenen Extremfall in der Ortschaft Marktheidenfeld, wo innerhalb kürzester Zeit ganze 31 Liter Regen pro Quadratmeter gemessen wurden. Die zunehmende Unvorhersehbarkeit der Stürme und Gewitter bereitet ihm viele Sorgen: „Wir haben immer heftigere Sturmereignisse, die einen wertvollen Maisbestand innerhalb weniger Minuten flach hinlegen können. Der steht dann nicht mehr auf. Da ist die Futtergrundlage für den ganzen Betrieb weg.”

Genauso sieht das auch Walbesitzer Michael Püls: „Dass die Stürme heftiger werden, die Windgeschwindigkeiten höher werden – das setzt auch dem Wald zu.“ Er hebt die besonderen Probleme für die Baumbestände in diesen Situationen hervor: Die dem Wind schutzlos ausgesetzten Randbereiche von Wäldern können den Kräften der Natur nicht mehr standhalten und drohen deshalb umzukippen. Deswegen sei beim Fällen von Bäumen am Rand des eigenen Waldgrundstücks die Rücksprache mit dem Nachbar-Grundbesitzer wichtig. Man wolle diesen ja schließlich nicht schutzlos den Elementen aussetzen. Gerade deshalb sieht er nach dem kurzen Schauer am Nachmittag bei seinem Waldstück vorbei. Dort begutachtet er nicht nur die Bäume, sondern auch die Sträucher am Rand des Waldes und stellt sicher, dass nichts Schaden genommen hat.

„Die Bepflanzung muss nicht nur dürreresistent sein. Ein noch größeres Problem der späten Nachtfröste“, sagt Aigner, als er über sein Gemüsefeld spaziert. Unter Spätfrösten versteht man unerwartet spät im Frühling auftretende Minustemperaturen. Der Landwirt und der Agrarmeteorologe heben zahlreiche dadurch ausgelöste Probleme hervor, die allesamt zu Ernteverlusten führen können: „Da kann es sein, dass die Vegetation nach einem milden Winter einige Wochen voraus ist – und dann kommt im Mai doch noch ein Kälteeinbruch. Besonders den Obst- und Weinbau kann es dann heftig erwischen. Die Blüte stirbt ab, und damit kann ein Großteil der Ernte ausfallen”, sagt Agrarmeteorologe Weigand. Außerdem erwähnt er einen Spätfrost-Zwischenfall im Jahr 2020, durch den in Bayern circa 20.000 Hektar Wintergerste zu wenig Körner besaßen und deshalb nur bedingt weiterverwendet werden konnten.

Michael Püls ergänzt, dass der Frost den Versuch, hitzebeständige Bäume aus anderen Teilen der Welt anzusiedeln, zu einer Herausforderung mache. Denn diese exotischen Arten seien bei Weitem nicht so gut an niedrige Temperaturen angepasst, wie die einheimischen Arten.

Gemischte Zukunftsaussichten

Alois Aigner kommt von den Feldern zurück. Als er über den Hof geht, läuft die kleine, rote Hofkatze auf ihn zu. Der Landwirt beugt sich hinunter und streichelt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Wie man zukünftig mit dem Klimawandel umgehen wird, beschäftigt den Biobauern dennoch sehr. Sich anpassen, zum Beispiel durch andere Gemüsesorten – das könne man durchaus tun. Aber mit solchen Umstellungen gingen auch immer wieder neue Probleme einher, mit denen man dann zu kämpfen habe, wie beispielsweise unbekannte Schädlingsarten. Wenn es so weiterginge, und in Trockenjahren nichts mehr wachsen würde, dann gäbe es einfach keinen Ertrag mehr, schildert Aigner. In so einem Fall werde reiner Ackerbau im offenen Land zukünftig nicht mehr möglich sein.

Weigand macht sich auf den Weg zurück in sein Büro, da er gleich noch einen Termin hat und ein paar Papiere vorbereiten muss. Während er den Zaun schließt und auf die Wetterwarte zurückblickt, spricht er über die nachfolgende Generation, die mit noch schwerwiegenderen Auswirkungen des Klimawandels zu tun haben werden. „Da bin ich tatsächlich froh, ein bisschen älter zu sein. Denn aktuell jüngere Menschen werden noch einiges Dramatischeres erleben. Da braucht man kein Prophet sein, um das vorherzusehen.” Hierbei spricht er vor allem von stärkeren Unwettern und noch heißeren und längeren Trockenperioden. Er hebt außerdem die Notwendigkeit für Landwirte hervor, sich durch Versicherungen und andere Maßnahmen gegen Ernteschäden aller Art zu schützen. So könne zumindest etwas Widerstandsfähigkeit gegen Dürre, Hagel, Frost und Co. bewahrt werden. Ebenso sorgt er sich um die drohende Wasserknappheit und den daraus entstehenden Nutzungskonflikt zwischen der Landwirtschaft und anderen Lebensbereichen. Wie dieser Konflikt sich in Zukunft entwickeln wird, ist bisher komplett ungewiss.

Beim Gedanken an seine Arbeit an der LfL bessert sich seine Laune jedoch wieder: Immerhin könne man den Verlauf des Klimawandels mit Hilfe der Wetterstationen und Prognosen täglich genau verfolgen. Auch Satelliten kommen in letzter Zeit immer mehr ins Spiel. So versorgte das LfL-Team beispielsweise einen Sentinel-Wettersatellit mit Bodenfeuchtedaten, die diesem beim Einordnen seiner Messwerte unterstützen konnten. „Doch was helfen mir diese Informationen, wenn ich weiterhin ohnmächtig bin?“, sagt Weigand und zuckt mit den Schultern. Dieser Machtlosigkeit könne man durch Forschungen und Versuche entgegenwirken. Dazu gehören sowohl die Labore an der LfL, als auch der Anbau von experimentellen Sorten durch Bauern wie Alois Aigner. Neben der zunehmenden Hitze müsse man sich außerdem gegen die immer talentierter werdenden Schädlinge wappnen – darunter der von Aigner und Weigand gleichermaßen gefürchtete Kartoffelkäfer, welcher durch die gestiegenen Temperaturen mittlerweile mehrere Generationen lang überleben kann. Die Forschung mit neuen Sorten, die solche Ungeziefer umgehen, eröffne bislang unbekannte Standbeine, erklärt der Agrarmeteorologe hoffnungsvoll.

Steckbrief Kartoffelkäfer (Foto: Fritz Geller-Grimm, CC BY-SA 3.0)

Auch Vermarktung und Politik verursachen Kopfzerbrechen

Neben dem Klimawandel und seinen Nebenwirkungen sieht Landwirt Aigner allerdings noch ein weiteres großes Problem: die Vermarktung und Preisgestaltung der Produkte. Da er einen Hofladen betreibt, ist dies für ihn selbst auch ein Thema. Seine angebauten Produkte verkauft er direkt an seinem Hof. Seine Frau, eine gelernte Floristin, verkauft hier ebenfalls Blumen. Die Wägen, auf denen die Pflanzen ausgestellt sind, fährt sie gerade in den Innenraum. Sie bereitet alles vor, um den Laden für heute abschließen zu können. Da am nächsten Tag ein Feiertag bevorsteht, haben die beiden Landwirte zumindest im Laden morgen einen freien Tag. Auf dem Feld muss allerdings trotzdem gearbeitet werden.

Die von ihm praktizierte intensive ökologische Landwirtschaft hat ihren Preis, doch Großbauern und Discounter sorgen für zunehmende Konkurrenz. Denn bei der Preisgestaltung liegt die Macht bei ihnen. „Da musst du eine gewisse Menge Geld verdienen, damit das Ganze funktioniert. Das ist eigentlich die Hauptkrux in der Landwirtschaft, dass man eine vernünftige Landwirtschaft betreibt und vernünftiges Geld verdient und die Anforderungen erfüllt, die die Gesellschaft stellt.” Die Kunden würden leckere, billige, ökologisch angebaute sowie regionale Produkte erwarten. Das alles zu erfüllen und gleichzeitig durch ausreichenden Verdienst das Überleben des Betriebes zu sichern, sei gar nicht so einfach, versichert er. Auch Stephan Weigand erkennt beim ökologischen und experimentellen Anbau die wirtschaftlichen Herausforderungen: „Es steht und fällt mit der Vermarktung. Da muss dann quasi die komplette Wertschöpfungskette aufgebaut werden. Nur dann ergibt das ökonomisch einen Sinn.”

Eine schnelle Lösung dieses Konfliktes erwartet Aigner nicht. So führe jeder Versuch, lang ersehnte ökologische Standards für die gesamte Industrie durchzusetzen und damit das Leben für die Familienbetriebe leichter zu machen, zu jahrelangen Diskussionen. Zwar gebe es durchaus Umweltprogramme und Fördermöglichkeiten, diese seien durch die aufwändigen Bedingungen und Dokumentationspflichten allerdings keine „Game-Changer” für die kleinen Bauern. Wichtig wäre stattdessen vor allem eine frühzeitige Förderung für Hofmodernisierungen und neue Anschaffungen. Wenn das Geld nur im Nachhinein fließt, müssten die kleineren Betriebe zunächst astronomische Rücklagen anhäufen, um alles bezahlen zu können. Alois Aigner organisiert sich zusammen mit vielen Kolleg*innen in Interessengemeinschaften, damit die Ansichten und Interessen der Bauern und Bäuerinnen den Entscheidungsträgern auf nationaler und europäischer Ebene geschlossen vorgelegt werden können. Außerdem können sich Landwirt*innen so über Betriebsabläufe austauschen.

Fazit: Hoffnung bewahren und dranbleiben!

Trotz alledem bleiben die drei Gesprächspartner optimistisch: Solange man dranbleibe sowie experimentierfreudig und hartnäckig sei, werde man die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen schon überstehen, sagt Aigner mit voller Überzeugung. Waldbesitzer Michael Püls teilt diese Sicht: „Ich glaube, der Mensch sollte Hoffnung haben. Und Hoffnung hat man am besten, wenn man handelt und etwas tut!”, sagt er mit Blick auf die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels. Gerade als Waldbesitzer habe er die Möglichkeit, auch draußen im eigenen Wald etwas zu unternehmen. Auf den ersten Blick sehe es schlecht aus, aber die Hoffnung solle man trotzdem nicht verlieren.

Der Waldbesitzer steigt nach einem letzten Blick zu seinem Waldstück in sein Auto ein und fährt davon. In ein paar Wochen wird er wieder kommen und erneut danach schauen, was Trockenheit, Hitze oder Starkregen für Spuren in seinem Wald hinterlassen.

 

In einer Podcast-Folge haben wir uns über das Thema unterhalten und über interessante Aussagen unserer Protagonisten diskutiert. Außerdem gibt es dort Details zur Entstehung der Story. Das Reinhören lohnt sich also!