Es klingt niedlich, kann aber eine ganz schöne Herausforderung sein: Das eigene kleine Café mit selbstgebackenen Kuchen und Torten eröffnen. Eine junge Konditormeisterin hat sich in Regensburg getraut und die Bürokratie mit all ihren Regeln zu spüren bekommen.

Von Annika Exner

Montagmorgen, 9 Uhr: Das Tageslicht fällt durch ein großes Flächenfenster auf einen silberfarbenen Arbeitstisch. Am linken Rand des Tisches stehen gestapelt sechs Springformen. In der Mitte ist eine kleine Fläche mit Mehl präpariert, daneben liegt ein Nudelholz. Etwas weiter rechts rührt eine Küchenmaschine einen
hellen Teig. Neben dem Tisch summt ein Bäckerei-Kühlschrank und in einer Ecke des Raumes heizt ein großer Backofen. Vor dem Arbeitstisch steht eine junge Frau: Hannah Mauritz. Weißes T-Shirt, schwarze Schürze und helle Turnschuhe.

134 Topfpflanzen und jede Menge Kuchen

Hannah ist Konditormeisterin. Mit 24 Jahren hat sie den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und ein kleines Café mit selbstgebackenen Kuchen eröffnet. Seit einem dreiviertel Jahr betreibt sie das Café Goldrichtig in der Regensburger Altstadt. Es liegt etwas versteckt in einer Seitengasse, am Rande der Fußgängerzone. Große Fenster, eine hohe gewölbte Decke und viel Tageslicht verleihen dem Café eine ruhige Atmosphäre.

Besonders ins Auge sticht die Dekoration aus Topfpflanzen: Insgesamt 134 Stück hat Hannah in ihrem Gastraum aufgestellt – von kleinen Kakteen, bis hin zu einer hüfthohen Glückskastanie mit geflochtenem Stamm und langen Blättern. Dazwischen stehen vier weiße Holztische mit Stühlen, ein samtgrünes Sofa und eine gläserne Theke mit Hannahs selbstgemachten Kuchen und Torten.

Bis zu 15 Stück backt sie davon pro Tag. Heute weniger, weil morgen Ruhetag ist. Das bedeutet: der kürzeste Tag der Woche – etwa 10 Stunden. Samstag ist der längste Tag, da ist der Laden voll ohne Ende. Dann beginnt Hannahs Arbeitstag um 6 Uhr und endet um 20 Uhr – 14 Stunden. „Das hängt aber auch vom Wetter
ab“, erklärt sie und lächelt. An den sehr heißen Tagen jetzt im Sommer ist beispielsweise deutlich weniger los. Im Frühjahr galt dagegen: Je besser das Wetter, desto höher die Nachfrage.

Fuß fassen in der Regensburger Café-Szene

Kuchen backen sieht Hannah aber weniger als Arbeit, mehr als Tätigkeit zum Entspannen. Anstrengend findet sie dagegen Buchhaltung. Dann kommt noch das Bedienen der Gäste, Putzen und Einkaufen dazu. Eigentlich ist ihr Café eine eingetragene Konditorei – eine von 13 im Regensburger Stadtgebiet. „Ich nenne mich aber lieber Café, das klingt besser“, erklärt Hannah, während sie die sechs Springformen mit Backpapier auslegt.

Ein kleines Café eröffnen und eigene Produkte vermarkten – damit liegt die junge Konditormeisterin voll im Trend: Die Regensburger Café-Szene entwickelt sich immer mehr in Richtung „individuelle Cafés“, beobachtet der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband. Andrea Kramer, die Geschäftsführerin im Bezirk Oberpfalz, befürwortet diese Entwicklung. Sie glaubt, dass dies dem Stadtbild gut tue.

Hannah hat sich dagegen eher wenige Gedanken über die aktuelle Café-Situation in Regensburg gemacht. Sie kam Ende letzten Jahres ziemlich „blind“ nach Regensburg – eine neue Stadt für sie. Ursprünglich ist Hannah aus der nördlichen Oberpfalz, hat in Auerbach ihre Ausbildung bei einem Dorfbäcker gemacht. Danach der Meisterkurs in Berlin. Und im Dezember 2021 der Schritt in die Selbstständigkeit in Regensburg. Die Stadt hat es ihr einfach angetan und ist nicht allzu weit weg von der Familie.

„Jetzt kommt der Hammer. Bürokratie in Deutschland…“

Während Hannah in ihrer Backstube arbeitet und erzählt, wirkt sie sehr selbstsicher. Auch über mögliche Probleme, während der Corona-Krise ein Café zu eröffnen, habe sie hinweggesehen, sagt sie: „Wozu noch zwei Jahre warten, wenn sich bis dahin vielleicht nicht wirklich etwas ändern wird?“ Die Corona-Krise geht aber nicht spurlos am Konditorenhandwerk vorbei. Auch hier hat die Pandemie in den letzten zwei Jahren für ordentlich Wirbel gesorgt. Da die meisten Konditoreien gleichzeitig Cafés sind, mussten diese über längere Zeiträume schließen und später mit Zugangsbeschränkungen leben. Die Folge waren enorme Umsatzrückgänge.
Jetzt geht es langsam wieder bergauf. „Trotz Umsatzwachstum ist es aber noch zu früh, um Entwarnung für das Konditorenhandwerk zu geben“, erklärt Daniela Sauer, die Geschäftsleitung der bayerischen Konditoren-Innung, auf Anfrage. Die Lage sei laut Sauer für viele Betriebe nach wie vor schwierig.

Sie würde aber trotz aktueller Situation keinem Existenzgründer abraten, den Schritt in die Konditoren-Selbstständigkeit zu wagen. Corona sei nur ein Faktor von vielen, der berücksichtigt werden muss. Andere Faktoren, die Sauer dagegen bemängelt: hohe Mieten, der Zuwachs von Einkaufszentren auf „grünen Wiesen“ und die Bürokratie. Diese würde zusammen mit ständig neuen Regulierungen und Gesetzen nicht zu einem gründungsfreundlichen Klima beitragen, so Sauer.

Mit der Bürokratie hat Hannah bereits ihre ganz persönlichen Erfahrungen gemacht. Während sie den hellen Teig aus der Küchenmaschine nimmt und auf die Arbeitsplatte legt, fängt sie an zu grinsen und sagt: „Jetzt kommt der Hammer. Bürokratie in Deutschland – wissen wir ja alle – ist anstrengend.“ Bevor Hannah ihr Café eröffnen durfte, musste sie bei der Stadt Regensburg eine Nutzungsänderung beantragen. Denn die Räumlichkeiten waren vorher als Einzelhandel deklariert. Wegen der Nutzungsänderung wird ihr Café aber wie ein Neubau behandelt und dafür gilt eine bestimmte Stellplatzsatzung.

Parkplätze als größte Herausforderung

Das bedeutet: Hannah braucht Autostellplätze: Pro sieben Quadratmeter Gastraumfläche ist ein Parkplatz nötig. Sie versuchte alles Mögliche, um an Stellplätze zu kommen: Anwohnerparkplätze kaufen – nicht machbar. Das nächstgelegene Parkhaus – keine Möglichkeit. Das wäre zu weit weg vom Café und die Parkplätze wären nur gemietet. Auch eine Ablöse der Stellplätze ist nicht möglich. „Ich habe so viele Leute angefragt. Ich habe sogar der Bürgermeisterin geschrieben, ob es da nicht eine Ausnahme gibt“, erzählt Hannah. „Kein Gast hat in den letzten zwei Monaten versucht, mit seinem Auto zu mir ins Café zu kommen. Es liegt ja inmitten der Altstadt.“

Jetzt stehen ihr offiziell elf Quadratmeter Gastraumfläche zur Verfügung. Einen Parkplatz habe sie und es gebe einen kleinen Altstadtbonus, erklärt Hannah. So kann sie vier Tische aufstellen, Platz wäre für mindestens doppelt so viel. „Meine Gäste fragen immer wieder, warum ich so wenige Tische habe. Dann muss ich erklären, dass ich nicht mehr Platz nutzen darf“, erzählt Hannah und schmunzelt.

Seitens der Stadt Regensburg beharrt man auf den rechtlichen Rahmenbedingungen. Planungs- und Baureferentin Christine Schimpfermann erklärt in einem schriftlichen Statement: „Ausnahmen können leider nicht zugelassen werden, da wir eine Vielzahl von ähnlichen Anfragen und Anträgen gleichlautend beantwortet beziehungsweise verbeschieden haben.“ Außerdem liege laut Schimpfermann mit dem Café Goldrichtig kein atypischer Fall vor.

Die Stadt hat Hannah aber vor längerer Zeit empfohlen, über eine Mischnutzung von Verkauf mit untergeordneter Gaststättenfläche, einem Imbiss, nachzudenken. „Diese Kombination könnte sich auf den Stellplatzbedarf auswirken“, so Schimpfermann. Diese Idee ist Hannah ebenfalls bewusst, sie winkt aber gleich ab:
„Ich habe damals mit meinem Architekten gesprochen – ich kenne mich da nicht gut aus – und er hat gemeint, das mache keinen Unterschied.“

Wenn dein Lebenstraum in Erfüllung geht

Dass die Bürokratie für kleine und mittlere Handwerksbetriebe eine Herausforderung sein kann, bemerkt auch die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz. „Gerade jetzt in der Corona-Zeit hat die Bürokratie, beispielsweise mit Blick auf Dokumentationspflichten, Soforthilfeanträge und Co. nochmals zugenommen“, erklärt Georg Haber, der Präsident der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, auf Anfrage. Hier müsse die Politik dringend nachbessern, fordert er.
Hannah lacht, wenn sie über die Bürokratie der Stadt Regensburg spricht: „Jetzt ist es durch. Ich habe meinen Laden und habe alles geschafft, was ich wollte.“
Mittlerweile ist es kurz vor 11 Uhr, Hannah ist vorerst fertig in ihrer Backstube. Die sechs Springformen hat sie mit Teig ausgelegt und kühl gestellt. Außerdem hat sie einen Kirschstreuselkuchen, einen Apfelstreuselkuchen und einen New York Cheesecake vorbereitet.

Jetzt muss sie ihr Café aufsperren. Sie geht in den Gastraum, nimmt eine Kreidetafel mit der Aufschrift „Wir haben geöffnet“ und stellt sie vor das Café auf den Fußweg. Zehn Minuten später kommen die ersten Gäste, zwei ältere Damen. Sie setzen sich an einen Tisch in einer Ecke, umringt von Topfpflanzen. Hannah nimmt vorsichtig zwei Kuchenstücke aus der Theke und bringt sie zusammen mit zwei Cappuccini an den Tisch.

20 Minuten später sind alle Plätze im Café besetzt. Die Gäste wirken zufrieden. Sie reden leise, trinken Kaffee und essen Hannahs Kuchen – die meisten den New York Cheesecake. Ob Hannah stolz auf sich und ihr kleines Café ist? – Sie lächelt verlegen und sagt: „Irgendwo bin ich schon stolz auf mich. So ganz ist es aber noch nicht bei mir angekommen, dass ich selbstständig bin. Es ist einfach ungewohnt, wenn dein Lebenstraum in Erfüllung geht.“