Der letzte Wille

688 – So viele Personen hat der 80-jährige Dr. S. in seinem Beruf bereits auf ihrem Weg begleitet. Er hat die Zahl genau im Kopf, denn für viele dieser Menschen führte der Weg über sein Gutachten zu nichts Geringerem als dem Tod. Ist das eine „Macht“, die man als Mensch haben möchte?

Seit 2020 ist der assistierte Suizid, beispielsweise mittels Infusion, in Deutschland legal.

Von Alexander Moser

Dr. S. und Daniel Müller (Name verändert) sitzen sich am Küchentisch gegenüber. Vor dem Mediziner steht ein aufgeklappter Laptop, sein Gesprächspartner nippt an der Kaffeetasse. Ein friedliches Vogelgezwitscher dringt durch das geöffnete Fenster neben ihnen. Ohne weiteren Kontext könnte man meinen, die beiden treffen sich an einem schönen Sommertag zu einem gemütlichen Plausch unter Freunden in Daniels Wohnung. Doch obwohl die beiden das Gespräch auch mit einem Lächeln auf den Lippen führen, wird inhaltlich schnell klar, dass der Anlass ein ernster ist. „Für mich ist mein Leben hier nicht mehr lebenswert, ich möchte schnellstmöglich sterben“, gibt der 80-jährige Daniel dem Arzt zu verstehen. Nach den schwerwiegenden Folgen eines Autounfalls und mehreren Schicksalsschlägen ist er des Lebens müde.

Er ist einer von fast 700 Patient*innen, über die Dr. S. seit über 20 Jahren Gutachten ausgestellt und entschieden hat, ob er bei ihrem Suizid assistiert. 2001 kam er erstmals in Kontakt mit dem Thema. „Das war eine 45-jährige Patientin mit einer seit ihrem fünften Lebensjahr allmählich fortschreitenden Lähmung des ganzen Körpers“, erinnert sich der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie genau und ergänzt: „Dieser Fall war für mich die Einführung in die Thematik Sterbehilfe und die Patientin meine Lehrmeisterin.“ Seitdem hat Dr. S. einiges erlebt, denn vor ihm saßen bereits Menschen aus ganz Deutschland mit den unterschiedlichsten körperlichen und psychischen Leiden. Von Folgen eines Schlaganfalls über Querschnittslähmung bis zum Verlust des nächsten Angehörigen – jede*r einzelne Patient*in habe schwerwiegende nachvollziehbare Gründe gehabt, das Leben selbstständig beenden zu wollen.

Schwer fiel ihm die Beurteilung in seiner langen Berufslaufbahn besonders im Fall einer 38-jährigen Frau mit zwei Studienabschlüssen. „Sie hatte unter anderem in einer bekannten politischen Stiftung gearbeitet und war über die dortigen politischen und interaktiven Vorgänge so entsetzt, dass sie sich davon abgewandt und anschließend als Putzhilfe in einem Hamburger Hotel gearbeitet hat“, erinnert sich der Mediziner sichtlich gequält und fügt hinzu: „Die hat mir so eine brillante Analyse unserer unmenschlichen, um Profit und Geltungssucht streitenden Gesellschaft hingelegt, dass ich ihr nur Recht geben konnte.“ Er sei heilfroh darüber gewesen, dass sich diese nette Frau letztlich nicht bei ihm, sondern in der Schweiz für eine Suizidhilfe entschieden hat.

Rechtliche Klarheit seit 2020

Schreckliche Lebenssituationen verfolgen ihn innerlich auch einige Zeit später noch, genauso wie die Frage, ob er selbst alles korrekt dokumentiert hat. Denn Dr. S. Aufgabe besteht darin, die Schicksale in einem ausführlichen Gespräch auf Plausibilität, dadurch die Patient*innen auf geistige Klarheit und vor allem deren Entscheidung auf alleinige Freiverantwortlichkeit zu prüfen. Obwohl er bereits seit 2007 berentet ist, macht er das auch heute noch aus innerer Überzeugung. Eindrücklich erklärt er dem sterbewilligen Daniel Müller, wieso er ihm zahlreiche Fragen zu seinem Lebenslauf und seiner aktuellen Situation stellt. Denn in Deutschland ist die Freiverantwortlichkeit das maßgebliche Kriterium für eine ordnungsgemäße Assistenz bei einer Selbsttötung, seit das Bundesverfassungsgericht im Februar 2020 den Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches aufgrund der unverhältnismäßigen Einschränkung des Persönlichkeitsrechtes für nichtig erklärte. Auch Dr. S. reichte damals eine der elf Verfassungsbeschwerden gegen das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ein, die letztlich für die Aufhebung des Paragrafen ursächlich waren.

Der Paragraf 217

Der Paragraf 217

Der in der Branche jedem bekannte und 2015 verabschiedete Paragraf 217 erschwerte die Suizidhilfe in Deutschland in der Vergangenheit enorm. Darin steht geschrieben, dass die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung verboten ist. Geschäftsmäßig bedeutet in diesem Kontext nicht, dass die Suizidbegleitung auf Profit ausgelegt ist. Es beschreibt vielmehr die wiederholte Durchführung und damit unter anderem die Durchführung durch professionelle Helfer*innen, wie Ärzt*innen oder Organisationen. Das Angebot schaffe eine Suizid-Nachfrage, argumentierte beispielsweise der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand bei einer Plenumsdebatte 2015. Für Personen, die dieses Verbot missachteten, drohte eine mehrjährige Freiheitsstrafe.

Das Verbot schränkte die Arbeit von praktizierenden Ärzt*innen und Sterbehilfevereinen massiv ein. „Die Telefonberatung hatten wir komplett eingestellt, weil nicht sicher war, wie lange es um die Patientenverfügung geht und wann das Gespräch zur Freitodbegleitung beginnt“, erläutert Sandra Martino, Vorsitzende der 2005 gegründeten Sterbehilfevermittlung Dignitas-Deutschland e.V., die damalige Situation, als man die eigenen Mitarbeiter*innen schützen musste. Auch wenn die Freitodvermittlung neben der Beratung zu anderen Möglichkeiten wie der Palliativmedizin oder der kurativen Medizin nur eine Aufgabe des Vereins darstellt, sei sie froh, dass sich ihre Arbeit seit 2020 wieder deutlich erleichtert habe.

Inzwischen vermittelt Dignitas auch wieder Patient*innen in Deutschland an bereitwillige Ärzt*innen. Rund 100 Personen im Jahr 2021 und 200 im Jahr 2022 hat Dignitas-Deutschland e.V. an ein Netzwerk von ungefähr 20 Ärzt*innen, zu denen auch Dr. S. zählt, vermittelt. Die beiden anderen großen Organisationen, die Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) und der Verein Sterbehilfe, haben ähnliche Zahlen vorzuweisen. Während sich die Freitodvermittlungen bei der DGHS auf 227 im Jahr 2022 fast verdoppelten, erfolgte beim Verein Sterbehilfe ein leichter Anstieg von 129 auf 139 Personen. Einen Sterbeboom, wie sie Gegner*innen prophezeien, sieht Sandra Martino mit Blick auf die Zahlen nicht: „Natürlich kann man sagen, dass die Zahlen von Dignitas-Deutschland eine Steigerung von 100 Prozent bedeuten, aber eine Steigerung von 1 auf 2 wäre auch eine Verdopplung.“ Der Anstieg der Zahlen im bundesweit dreistelligen Bereich sei also immer noch alles andere als beunruhigend.

„Die Bundesärztekammer hat das Potenzial, das Leben eines Arztes zu erschweren“, kritisiert Sandra Martino, Vorsitzende des Vereins Dignitas-Deutschland e.V., die Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung. (Foto: Sandra Martino)


Die Unwissenheit – ein zentrales Problem

Nichtsdestotrotz verursacht die tendenziell steigende Nachfrage nach Suizidhilfe ein systematisches Problem. Dr. S. Terminkalender ist komplett voll, da schlichtweg Ärzt*innen fehlen, die sich bereiterklären, bei einem Suizid zu assistieren. Sandra Martino erhofft sich, dass dem Thema insbesondere mehr Hausärzt*innen, die die Patienten und ihre Lebensgeschichte am besten kennen, offen gegenüberstehen: „Mein Wunsch wäre es, dass die Hausärzte für den Patienten da sind, egal welche Entscheidung er treffen wird. Denn es kommt überhaupt nicht darauf an, ob er dann die Suizidhilfe, Palliativmedizin oder eine andere Option wählt – schlussendlich geht es darum, dass der Patient eine Wahl hat.“

Gerade die Unwissenheit vieler Kolleg*innen über den Vorgang des assistierten Suizids sei hier oft ein Hindernis. Denn das wohl bekannteste Medikament zur Selbsttötung Natrium-Pentobarbital ist in Deutschland nicht legal erhältlich. „Aber aus einem ähnlichen Medikamentenkreis gibt es Mittel, die nach wir vor in der Medizin für andere Zwecke, zum Beispiel für eine Narkose, gebraucht werden und durchaus dieselbe Wirkung haben“, verrät Sandra Martino. Den Namen des in der Apotheke erhältlichen Medikaments gibt Dignitas-Deutschland e.V. jedoch nur interessierten Ärzt*innen und nicht der Öffentlichkeit preis, um vor Missbrauch zu schützen.

Trotz der seit 2020 deutlich entspannteren Lage und des Schutzes durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sieht die Vorsitzende weiterhin ein großes Problem bei der Gewinnung von zusätzlichen praktizierenden Ärzt*innen in der vermeintlich rechtlichen Unsicherheit vieler Ärzt*innen. Auch Daniel Müller beklagt den Umstand, dass er von allen anderen Ärzt*innen mit seinem Anliegen abgewiesen wurde, bis er dann Kontakt zu Dr. S. aufnahm. Insbesondere kritisiert Sandra Martino die Bundesärztekammer in diesem Zuge und zieht sie in die Verantwortung. Die Spitzenorganisation der ärztlichen Selbstverwaltung betont zwar explizit, dass die Entscheidung zur Suizidhilfe schlicht individuell getroffen werden soll, doch zwischen den Zeilen werde anderes vermittelt, meint Sandra Martino: „Wir erfahren immer wieder, dass Ärzten, die sich bei der Ärztekammer über das Thema kundig machen wollen, gesagt wird, das sei ein Graubereich und sie sollten lieber die Hände davon lassen.“ Zwar würde es sich bei einer Auseinandersetzung mit der Ärztekammer nur um Standes- und nicht um Strafrecht handeln, doch hätte sie schon das Potenzial, das Leben eines Arztes oder einer Ärztin zu erschweren. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf an die Arbeitsgemeinschaft der 17 deutschen Ärztekammern, die eigenen Angaben zufolge Perspektiven für eine bürgernahe und verantwortungsbewusste Gesundheits- und Sozialpolitik entwickelt. Trotz mehrmaliger Anfrage äußerte sich die Bundesärztekammer nicht zu einer möglichen Stellungnahme.

Die Gesetzeslage zu den Themen Sterbehilfe und Abtreibung in und um Deutschland

Anmerkung: Je höher die Bewertung, desto liberaler ist die Gesetzeslage.
Klickt hier für nähere Informationen zur rechtlichen Unterscheidung zwischen aktiver Sterbehilfe und assistiertem Suizid.

Was ist nun rechtens?

Das Wort „Graubereich“ hält Dr. S. ohnehin für mangelhafte Kenntnis der tatsächlichen Fakten. Wenn überhaupt gebe es einen Grenzbereich, beispielsweise bei beginnender Demenz, in dem man sich fragen müsse, wie nachdrücklich die Willensbekundung, das Leben zu beenden, wirklich ist. Dr. S. ist die Bedeutung der rechtlichen Lage spätestens seit 2017 bestens bewusst. Sieben Jahre Freiheitsstrafe forderte die zuständige Staatsanwältin vor dem Hamburger Landgericht damals für den Neurologen, der 2012 den Suizid zweier älterer Damen begleitete. Der erst 2015 in Kraft getretene Paragraf 217 galt für diesen Fall noch nicht, jedoch sollte Dr. S. wegen Totschlags durch vorsätzliche Täuschung verurteilt werden. Er habe die beiden Patientinnen nicht ausreichend über Alternativen informiert und zur Schaffung eines Präzedenzfalls missbraucht, lautete der Vorwurf damals. Trotz der drohenden Haft blieb er rückblickend gelassen: „Natürlich ist mir das Herz zunächst in die Hose gerutscht, aber ich kann nur sagen, dass ich von der Sache überzeugt und durch meinen Anwalt rechtlich bestens betreut war, sodass ich mich da nicht wirklich verunsichert gefühlt habe.“ Und er sollte Recht behalten. Noch im selben Jahr wurde Dr. S. vor dem Landgericht freigesprochen und das Urteil 2019 durch den Bundesgerichtshof rechtskräftig bestätigt. Er habe sich unter keinem Gesichtspunkt strafbar gemacht.

Aktuell muss sich der Mediziner keine Sorgen mehr um den Gerichtssaal machen. Die Suizidhilfe in Deutschland ist seit 2020 erlaubt, wenn auch nicht gesetzlich geregelt. Der Bundestag sieht seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts deshalb Handlungsbedarf und hat zwei verschiedene Gesetzesentwürfe zur Abstimmung vorgelegt. Sowohl für Sandra Martino als auch für Dr. S. sind beide Vorschläge indiskutabel und erneut verfassungswidrig. Ein Durchlaufen verschiedenster Gutachten- und Beratungsstellen, wie sie die beiden Entwürfe vorsehen, sei nicht nötig und einzig ein Mehraufwand für die Patient*innen. „Dann hat man fünf Leute und Meinungen und schließlich entscheiden ein Sozialarbeiter und ein Psychologe darüber, ob mein Leiden anerkennungswürdig ist“, begründet die Vorsitzende ihre Sichtweise. Dr. S. geht in seiner Kritik an der Politik sogar noch einen Schritt weiter: „Dass ein völlig gesunder Mensch aus purer Laune eine Suizidhilfe in Anspruch nehmen könnte, ist nach meinen Erfahrungen empirisch der wahre Unfug. Es gibt einfach niemanden, der freiwillig ohne ernste Gründe auf Lebenszeit verzichtet.“ Der langjährige Suizidassistent sieht es auch auf der medizinischen Seite sehr kritisch, wenn Meinungsführer*innen ohne konkrete Erfahrungen in der Praxis denken, eine Linie vorgeben zu müssen.

Die aktuellen Gesetzesentwürfe

Die aktuellen Gesetzesentwürfe

Der erste Entwurf von SPD-Politiker Lars Castelluci und Ansgar Heveling (CDU) sollte Suizidassistenz wieder grundsätzlich unter Strafe stellen. Nur unter bestimmten Voraussetzungen, wie einer mehrmaligen Begutachtung bzw. Beratung, wäre es den Patient*innen erlaubt, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Der zweite Entwurf einer Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Kathrin Helling-Plahr (FDP) zielte hingegen auf die Einrichtung eines bundesweiten Netzes staatlich anerkannter Beratungsstellen ab. Im Normalfall wäre die Suizidassistenz dann nur nach Beratung durch diese Stellen erlaubt.

An der Zeit zu gehen

Aufatmen konnte deshalb Dr. S., als am 6. Juli dieses Jahres keine Einigung auf einen Gesetzesentwurf im Bundestag erzielt werden konnte. Für die Suizidhilfe bedeutet dies vorerst eine Beibehaltung der aktuellen Linie und damit für Daniel Müller auch keine Einschränkung für seinen geplanten Freitod. „Ich würde am liebsten sofort starten“, sagt der lebensmüde Patient, der nach den Folgen eines Autounfalls 1983 unter starken körperlichen Beeinträchtigungen leidet und inzwischen sogar im Rollstuhl sitzt. Ein Jahr zuvor verlor er seine erste Ehefrau an Multiple Sklerose und hatte infolgedessen mit psychischen Problemen zu kämpfen. Nachdem 2015 auch seine zweite Ehefrau aufgrund eines Herzversagens starb, wohnt er heute alleine in einer Wohnung, in der er von seiner Haushaltshilfe betreut wird. Seine eigene Krankenakte ist schier endlos. Verlassen kann er seine vier Wände so gut wie gar nicht mehr, wodurch sich sein täglicher Weg auf den vom Bett zur Toilette und Küche beschränkt. „Ich fühle mich hier wohl, aber das ist für mich kein Leben mehr“, erläutert der Vater von zwei Kindern seine wohlüberlegte Entscheidung und sieht seine Lebensaufgabe erfüllt: „Ich habe Kinder gezeugt und großgezogen, die sind beide was geworden, ich habe noch eine sehr gute Beziehung zu ihnen und nun sind sie eben nicht mehr auf mich angewiesen. Das ist einfach der Lauf der Dinge.“

Das Gespräch, in dem Dr. S. das Anliegen seines Patienten bis ins kleinste Detail prüft, dauert knapp eineinhalb Stunden. Explizit erklärt er ihm auch die Vorgehensweise an Tag X, sollte es zu einer erfolgreichen Begutachtung seines Leidens kommen. Er steht dafür von seinem Platz auf und betrachtet die Venen an Daniels Unterarm, an dem die Injektion erfolgen soll und bei der er nach rund 90 Sekunden friedlich einschlafen wird: „Ich werde zwei Beutel anschließen, einen mit Kochsalzlösung für einen Testlauf und einen mit dem tödlichen Medikament. Ich werde Sie dann nach dem Test fragen, ob ich den Beutel umstecken soll und Sie müssen im Anschluss das Rad für die Einnahme des Mittels aufdrehen.“ Ein essenzielles Detail, denn würde Dr. S. anstelle von Daniel die Injektion auslösen, wäre es in Abgrenzung zur Suizidassistenz das in Deutschland nach wie vor strafbare Töten auf Verlangen. „Das wäre für mich ein Schritt zu viel und macht für mein Verständnis einen fundamentalen moralischen Unterschied, denn in der Situation des assistierten Suizids kann ich mich im allerletzten Moment zurücknehmen und die Entscheidung liegt völlig beim Patienten“, erklärt Dr. S. seine Sichtweise zu dieser Variante der Sterbehilfe und ergänzt: „Ich persönlich möchte auch keinem Arzt zumuten, die Spritze zu geben.“

Wohl nicht zuletzt deshalb sieht er sich als Suizidassistent auch selbst nicht in einer Machtposition und äußert sein Unverständnis über den Begriff in diesem Kontext. Solange die Freiverantwortlichkeit der Patient*innen ausschlaggebend sei, fühle er sich nicht mächtig. Sandra Martino hingegen sieht hier vor allem die Macht über die Handlung, nicht über den Menschen: „Für den Patienten heißt es, er hat die Macht über sein Leben und für den Arzt, heißt es, selbst zu entscheiden, ob er in diesem Fall Suizidhilfe leisten will oder nicht. Er hat die Macht, abzulehnen und den anderen leiden zu lassen.“ Die Macht könne deshalb mit der Freiheit verglichen werden: „Wo die des einen beginnt, hört die des anderen auf und diese Grenze muss verhandelt werden.“ Es ist eine Aufgabe, die nicht nur die Politik, sondern auch jeden Menschen individuell beschäftigt.

Kapitel 2

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